Der teilweise eingebrochene Tunnel in der Unterwalliser Gemeinde Riddes muss gesichert werden. Arbeiten im Inneren werden in einem zweiten Schritt erfolgen und sich über mehrere Monate erstrecken. Doch wie kann es zu einem solchen Einsturz kommen? Tunnelexperte Heinz Ehrbar über Frosttau-Wechsel, historische Bauweisen und die komplexe Geologie in den Alpen.
SRF News: Sie haben die Bilder aus Isérables gesehen. Was ist ihre Erklärung für den Einsturz?
Heinz Ehrbar: Bei diesem Ereignis handelt es sich um einen Niederbruch aus dem Tunnelgewölbe. Der Tunnel war in dieser Strecke nicht verkleidet, wie man auf den Bildern sieht. Was die Ursache für diesen Einsturz war, kann ich da vom Schreibtisch aus natürlich nicht beurteilen. Aber erfahrungsgemäss weiss man, dass Beschädigungen am Tunnelgewölbe sehr oft auf Wassereinflüsse zurückzuführen sind. Gerade bei so einem oberflächennahen Tunnel ist die Annahme berechtigt, dass Wasser einen Einfluss gehabt haben könnte.
Die Behörden sehen im Unwetter im Dezember und den milden Temperaturen der letzten Tage Gründe für den Einsturz.
Ja, die Tunnelwand ist nah an der Oberfläche des Gebirges und Frosttau-Wechsel können das Gebirge auflockern. Wie tief das geht, das kann ich nicht direkt beurteilen, aber die Annahme ist berechtigt, dass witterungsbedingte Einflüsse eine Rolle gespielt haben.
Vincent Pellissier, Chef der Dienststelle für Mobilität im Kanton Wallis, sprach von einem Überwachungssystem für Tunnels. Wie funktioniert das genau? Und hat dieses in diesem Fall versagt?
Diese Überwachungssysteme messen in Tunnelbauten oder im angrenzenden Gebirge die geologischen Verformungen. Dann sieht man, ob sich da etwas tut. Aber bei einem plötzlichen Ereignis ohne entsprechende Vorverformungen kann so ein System keine Informationen liefern. Also lässt sich ein Tunnel bei einem plötzlichen Versagen nicht überwachen.
Wie wird denn entschieden, welche Art Tunnel man baut?
Die unverkleideten Tunnels sind eigentlich eine historische Bauweise. Bei Tunnelprojekten gibt es zuerst eine sogenannte Tragwerksanalyse, wo man unter Berücksichtigung der Bau- und Nutzungsbedingungen ein Konzept erarbeitet, wie man die langfristige Sicherheit für die gesamte Lebensdauer von achtzig bis hundert Jahren gewährleisten will. Daraus leitet sich ein Sicherungskonzept ab. Wie viel Beton braucht es? Wie viele Anker braucht es für die Stabilität?
Also gibt es nicht sehr viele unverkleidete Tunnels in der Schweiz?
Es gibt sie schon noch, aus den Zeiten des Bahnbaus und eben der älteren Strassentunnels oder nicht öffentlichen Strassen, zum Beispiel bei Kraftwerkszufahrten. Sie werden aber zunehmend weniger gebaut. Bei öffentlichen Strassen baut man entweder ein- oder zweischalig.
Muss im Tunnelland Schweiz nun nachgerüstet werden oder ist Isérables ein einmaliges Ereignis?
Das muss man natürlich seriös analysieren, insbesondere auch unter dem Aspekt des Klimawandels, der erhöhten Bodentemperaturen und so weiter. Wir haben eine sehr komplexe Geologie in den Alpen, diese ist zum Beispiel nicht vergleichbar mit Skandinavien, dort ist diese Bauweise unverkleideter Tunnels weit verbreitet. Ich glaube, der Vorfall im Wallis ist ein Indikator, dass man das Thema anschauen und den Bestand entsprechend analysieren muss. Dann werden sich daraus Schlussfolgerungen ergeben.
Das Gespräch führte Alexandros Koulouris.