Schon ewig sei er in der Partei, ewig ein Sozi. Und jetzt sitzt er da, der alte Genosse, in diesem schmucklosen Sääli, an diesem Versammlungstisch, ganz unten links, und sagt: «Es ist das alte Sprichwort: Gibst du mir, so geb' ich dir. Und das ist Larifari-Zeug, dünkt es mich.» Automechaniker hat er einst gelernt.
Dass wir diese Kröte mit diesem Zückerchen schlucken sollen, hinterlässt bei mir mehr als einen schlechten Nachgeschmack.
Aber die Mechanik, wie es in Bundesbern zu diesem Steuer-AHV-Grosspaket gekommen ist, die will ihm einfach nicht in den Kopf. Es ist nicht seine Art, sich mit politischen Gegengeschäften politische Mehrheiten zu erkaufen.
Kritik am «Kuhhandel»
Der grauhaarige Genosse erhält Schützenhilfe von einem jung-dynamischen Betriebsökonomen: «Ich bin sehr skeptisch.» Die Fusion der beiden wichtigsten und schwierigsten Reformen der Gegenwart, der Steuervorlage 17 und der AHV-Reform, sei für ihn schlicht ein No-Go: «Für die Zukunft bin ich sehr gespannt, was es noch alles für Kombinationen geben könnte. Dass wir, insbesondere wir Linken, diese Kröte mit diesem Zückerchen schlucken sollen, hinterlässt bei mir mehr als einen schlechten Nachgeschmack.»
Das Zückerchen für die Linken ist die 2-Milliarden-Finanzspritze für die AHV, mit der die umstrittene Unternehmenssteuerreform vor einem erneuten Absturz gerettet werden soll. Das alles gibts freilich nur im Multipack.
Deshalb sprechen die Gegner von einem Kuhhandel. Und davon will eine frisch pensionierte Genossin, die auch am Tisch sitzt, gar nichts wissen: «Das sind zwei Themen, die nur sehr beschränkt miteinander zu tun haben.» Dass man daraus ein Paket mache, sei unfair. «Das muss man mit zwei Paketen regeln. Sonst hat man im schlimmsten Fall unheilige Allianzen. Wer gegen die Steuerreform ist, muss am Ende gegen die AHV stimmen oder umgekehrt. Das finde ich nicht geschickt.»
Letztlich, ergänzt die Heilpädagogin, müsse die SP bei ihren Entscheiden mehr als nur die momentane Situation im Auge haben. «So wie es jetzt aussieht, machen wir den Steuerwettbewerb mit. Wir gehen etwas ein, das wir uns nicht auf die Fahne geschrieben haben.»
Realpolitik statt «Larifari-Zeug»
Der junge Parteipräsident seinerseits gibt zu, er habe ein schlechtes Bauchgefühl, «denn das ist wieder eine der Vorlagen, bei der man auf Kosten der jüngeren Leute versucht, eine Vorlage zu retten». Und die Bilanz des ebenfalls anwesenden Parteikassiers lautet: «Die Rechnung geht nicht auf.»
Aber da gibt es auch noch die anderen. Die Zweifler, die Verunsicherten; jene, die sich daran stören, wie vollmundig die Vorlage verkauft wird: «Ich bin in der Zwickmühle. Ich sehe, dass bei der AHV etwas gehen muss. Aber es gibt so viele Komponenten, die unsicher sind. Vielleicht sind wir angelogen worden?» Ein anderer sagt: «Das Wort Deal ist schon drin, da ist etwas Anrüchiges dran.» Und ein dritter spricht von einem zweischneidigen Schwert: «Wenn ich heute abstimmen müsste, wüsste ich nicht, was ich stimmen würde.»
Jene, die von den Steuersenkungen profitieren, müssen auch einen angemessenen Beitrag an die Gegenfinanzierung leisten.
Und da sind auch jene Genossinnen und Genossen, die im Zusammenhang mit dem Kuhhandel, dem Deal, dem Coup oder was auch immer, schlicht und einfach von Realpolitik sprechen. Die junge Juristin zum Beispiel, die meint, dass jene, die von den Steuersenkungen profitieren, auch einen angemessenen Beitrag an die Gegenfinanzierung leisten müssten, «und dass diese AHV-Zusatzfinanzierung durchaus eine Option ist, die als Gegenfinanzierung in Frage kommt». Und der Primarlehrer, der davon überzeugt ist: «Wir müssen die AHV sanieren. Wir brauchen Geld fürs Alter.»
«Schlussendlich braucht es Verhandlungen, damit man einen Kompromiss findet, den alle unterstützen können», sagt der Leiter der örtlichen Sozialdienste. «Denn es kann nicht sein, dass man aufgrund von extremen Interessen weder eine Lösung für die AHV noch für die Steuerreform findet.»
Von Larifari hat der ältere Genosse am Anfang gesprochen. Aber es war doch SP-Parteipräsident Christian Levrat, der oberste linke Frontmann, der am Steuer-AHV-Paket massgeblich mitgezimmert hat. Und es ist doch Levrat, der den Gegnern der Vorlage jetzt vorwirft, sie würden die Realität ausklammern. Was hält der Genosse davon? «Das ist seine Meinung, und ich habe meine.»