Die tiefen Zinsen machen den Pensionskassen das Leben schwer: Es ist fast unmöglich, am Kapitalmarkt Geld so anzulegen, dass es genügend Rendite abwirft. Horten sie hingegen zu viel Geld, zahlen sie Negativzinsen.
Das geht letztlich zulasten der Versicherten. Gewerkschaften und Banken sagen, schuld sei die Schweizerische Nationalbank. Deren Präsident Thomas Jordan hat sich am Donnerstag sozusagen in die Höhle des Löwen begeben und vor Arbeitnehmervertretern der Pensionskassen Stellung genommen.
Kein Ende in Sicht bei den Negativzinsen
Er wählte deutliche Worte. Die ungewöhnlichen Zeiten mit Negativzinsen seien die neue Realität: «Wir sind uns bewusst, wie kritisch die Lage für die Pensionskassen wegen der anhaltend tiefen Zinsen ist. Gleichzeitig können wir Ihnen keinen Zeitpunkt nennen, ab wann die Negativzinsen nicht mehr nötig sein werden.» Denn würde die Nationalbank den Negativzins aufheben, würde das den Franken stärken. Und das wiederum wäre schlecht für die Wirtschaft, die Aktienkurse und damit schlecht für die Vorsorgesysteme.
Ein Teufelskreis – finden viele Arbeitnehmervertreter der Pensionskassen. Jorge Serra ist als Arbeitnehmer-Stiftungsrat in verschiedenen grossen Pensionskassen, darunter Publica, der Pensionskasse des Bundes.
Rentenverlust führt zu Vertrauensverlust
Serra sagt, das sei problematisch: «Wir müssen dauernd die Umwandlungssätze senken, den technischen Zinssatz, und den Versicherten immer wieder mitteilen, die Leistung geht jetzt wieder runter, es muss wieder ein Schnitt gemacht werden.» Das zeige die Absurdität der Situation.
Sinkende Renten seien das eine, sagt Irene Willi, Stiftungsrätin der Pensionskasse BVK. Sie vertritt dort etwa 20'000 Lehrerinnen und Lehrer des Kantons Zürich. Das andere sei der politische und gesellschaftliche Zündstoff, der damit einhergehe: «Das führt zum Vertrauensverlust in die zweite Säule, in unser Vorsorgesystem. Das ist für mich im Moment das grösste Problem.»
In einer aussergewöhnlichen Zeit braucht es auch aussergewöhnliche Massnahmen.
Jordan betonte zwar die Wichtigkeit der Vorsorgewerke und des Vertrauens in diese. Denn Vertrauen sei volkswirtschaftlich bedeutsam. Doch zuständig für die Vorsorgewerke sei die Nationalbank nicht. Wie also weiter? «In einer aussergewöhnlichen Zeit braucht es auch aussergewöhnliche Massnahmen», sagt Willi. Diese könnten sein, dass die Nationalbank allfällige Gewinne nicht an die Kantone ausschütte, sondern an die Vorsorgewerke. Oder dass die Erträge aus den Negativzinsen den Vorsorgewerken zugutekommen.
Jordan warnt vor Kursschwankungen
Doch Jordan erteilte den Ideen in der Podiumsdiskussion mit dem Präsidenten des Gewerkschaftsbund Pierre-Yves Maillard eine Abfuhr – und warnt: «Was die Gewinnausschüttung und -höhe angeht, muss ich sagen: Vorsicht! Wir sind extremen Schwankungen unterworfen.» Die SNB habe eine grosse Bilanz mit hohen Wechsel-, Obligations- und Aktienkursrisiken. «Wir haben vielleicht jetzt einen hohen Gewinn, der kann aber über Nacht wieder wegschmelzen.»
Die möglichen Stellschrauben für die Vorsorgewerke sieht Jordan bei den Einnahmen, sprich, bei höheren Beiträgen. Oder bei den Ausgaben, also tieferen Renten. Damit liegt der Ball wieder bei den Pensionskassen.