Das Atomkraftwerk Mühleberg produziert nach wie vor Strom – knapp fünf Prozent des schweizerischen Bedarfs werden hier in einer Senke an der Aare produziert. Doch im Hintergrund läuft die Planung für die Zeit nach der Abschaltung.
Vor knapp zwei Jahren legte die Betreiberin BKW das Konzept für den Rückbau vor. Inzwischen wurden diese Pläne konkreter, wie Philipp Hänggi, der Zuständige für die Stilllegung des AKWs Mühleberg bei der BKW, sagt: «Letzten Monat haben wir beim Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) die detaillierte Planung zur Freigabe eingereicht.» Dabei geht es um die Planung für die erste und heikelste Phase des Rückbaus.
ENSI muss Bewilligungen sprechen
In den ersten neun Monaten nach der Abschaltung werden sämtliche 240 Brennstäbe aus dem Reaktorkern herausgenommen und gleich nebenan in ein sogenanntes Abklingbecken gelegt. Dort sollen sie weitere fünf Jahre lang ausklingen, also auskühlen und an Radioaktivität verlieren. Dann werden sie ins Zwischenlager Würenlingen transportiert.
Das ENSI muss diese erste Phase bis Ende 2019 prüfen und Grünes Licht geben. Erst dann darf die BKW das AKW-Mühleberg definitiv abschalten. Für die beiden weiteren Phasen bis ins Jahr 2034 braucht es dann nochmals je eine Freigabe des ENSI.
Für uns war es wichtig zu entscheiden, welche Technologien wir für die Schweiz anwenden.
Die BKW will das Kraftwerk so schnell wie möglich zurückbauen. An jedem Tag, an dem es nicht mehr läuft, kostet es Geld. Praktische Erfahrung gibt es dazu noch nicht. Bisher hat es in der Schweiz noch nie jemand getan. Hänggi sagt: «Im Ausland gibt es schon zahlreiche Erfahrungen. Die Technologien liegen vor. Für uns war es wichtig zu entscheiden, welche Technologien wir für die Schweiz anwenden.»
Man habe bereits bei den Revisionen von Mühleberg viel Erfahrung sammeln können. Darum sollen vor allem eigene Leute den Rückbau ausführen.
Ganz ohne externe Hilfe geht es aber nicht. Im letzten Herbst kaufte die BKW ein deutsches Strahlenschutz-Unternehmen, um die Rückbauarbeiten und die Einhaltung von Grenzwerten zu überwachen.
Ein neues Geschäftsfeld?
Dabei kommt viel Wissen zusammen. Wissen, das zukünftig zum Geschäftsfeld für die BKW werden könnte, wenn Mühleberg kein Geld mehr liefert. In absehbarer Zeit werden weitere Atomkraftwerke vom Netz gehen – nicht nur in der Schweiz, sondern zum Beispiel auch in Deutschland.
Ob die BKW aber tatsächlich in dieses Geschäftsfeld einsteigen will, lässt Philipp Hänggi offen: «Ich kann mir vorstellen, dass die BKW bei sehr konkreten Problemen eine beratende Funktion einnehmen kann. Es ist aber unwahrscheinlich, dass wir eine Personalausleihe machen und beispielsweise 100 Personen zur Verfügung stellen.»
Wir haben konkrete Bedenken, dass die Reihenfolge der Massnahmen nicht ganz nach den Sicherheitskriterien erfolgen wird.
Das alles ist allerdings noch Zukunftsmusik. Zuerst kommt die Stilllegung und dazu sind beim Bundesamt für Energie noch immer acht Einsprachen hängig.
Die letzten Geplänkel
Eine dieser Einsprachen stammt vom Berner Ingenieur und langjährigen Atomgegner Markus Küehni. Er kritisiert hauptsächlich den Umgang mit den Brennstäben nach dem Moment der Abschaltung und die Transparenz: «Wir haben konkrete Bedenken, dass die Reihenfolge der Massnahmen nicht ganz nach den Sicherheitskriterien erfolgen wird. Leider können wir bis heute nicht verbindlich sagen, ob das der Fall ist oder nicht. Es wird sehr viel unter dem Deckel gehalten.» Man versuche deshalb an zusätzliche Informationen zu kommen.
BKW-Rückbau-Chef Hänggi kontert: «Wir haben bei den Unterlagen, die wir bei den Behörden eingereicht haben, sehr klar dargelegt, wie wir unmittelbar nach dem Abschalten des Reaktors vorgehen werden.»
Verglichen mit den harten Auseinandersetzungen vergangener Jahre sind dies jedoch nur noch Nebenschauplätze. Sowohl die BKW als auch die Anti-Atom-Organisationen haben jetzt dasselbe Ziel: den möglichst schnellen, sicheren und verzögerungsfreien Rückbau.
Die nächste Hürde auf dem Weg zur Stilllegung kommt Mitte 2018. Dann wird das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation über die Stilllegeverfügung entscheiden – und damit darüber, ob die BKW nach dem Abschalten mit dem Rückbau beginnen darf.