Grundsätzlich sind in der Schweiz rund 60 Prozent der Wohnbevölkerung stimmberechtigt, wobei dieses Recht bekanntlich längst nie von allen genutzt wird. In Kantonen mit hohem Ausländeranteil liegt der Wert aber um einiges tiefer. Den niedrigsten Anteil hat der Stadtkanton Basel, wo bald eine Minderheit über die Geschicke des Kantons entscheiden könnte.
Auf dem Höhepunkt punkto Stimmberechtigten lag Basel-Stadt vor 35 Jahren. Damals wurde das Stimmrechtsalter von 20 auf 18 Jahre gesenkt, und gut zwei Drittel der Bevölkerung durften mitbestimmen. Seither ging dieser Anteil wegen der Zuwanderung stetig zurück, wie die Basler Politologin Eva Gschwind erklärt.
Genf trotz mehr Ausländern voraus
Trotz eines noch höheren Ausländeranteils als in Basel steht der Kanton Genf bei den Stimmberechtigten besser da. Denn dort haben Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung das Stimmrecht bekommen. Zudem lässt Genf die Auslandschweizerinnen und -schweizer kantonal mitbestimmen. Ohne diese rund 33'000 «importierten» Stimmberechtigten läge Genf in der Quote bereits um einiges unter 50 Prozent, wie Gschwind sagt.
Knapp die Hälfte der Kantone lässt Auslandschweizerinnen und -schweizer auf kantonaler Ebene mitbestimmen, nicht aber Basel. So dürfen zurzeit noch 50,5 Prozent der Bevölkerung in Basel an die Urne.
Mit der prognostizierten Zuwanderung droht Basel bald ein ‹Diktat der Minderheit›. Das wäre ein Rückfall in die Zeit vor dem Frauenstimmrecht.
Angesichts der prognostizierten weiteren Zuwanderung drohe Basel bald ein «Diktat der Minderheit», sagt Gschwind: und damit ein Rückfall in die Zeit vor dem Frauenstimmrecht. Für die Demokratie sei das bedenklich, denn staatliches Handeln wäre weniger breit abgestützt. Dies wiederum verringere tendenziell die Akzeptanz für Entscheide und erhöhe die Gefahr der Politikverdrossenheit.
30'000 mehr auf einen Schlag?
Ändern würde sich die Situation in Basel nur, wenn die Mitbestimmung geöffnet werde. Und da gibt es aktuell verschiedene Bestrebungen. Im Frühling entscheidet das Basler Parlament über ein Stimm- und Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer, die fünf Jahre im Kanton wohnen und eine Niederlassungsbewilligung haben.
Das Potenzial wäre gross, denn in Basel erfüllen über 30'000 Personen die Anforderungen für das Ausländerstimmrecht. Das würde laut Gschwind «einschenken», und Basel käme mit einem Schlag wieder auf den Spitzenwert der 1980er-Jahre – mit über zwei Dritteln Stimmberechtigten gemessen an der gesamten Wohnbevölkerung.
Die grosse Hürde: der Schweizer Pass
Allerdings kennen bisher nur die Kantone Neuenburg und Jura ein Ausländerinnenstimmrecht. In vielen anderen Kantonen wurde das Anliegen teils wuchtig verworfen, auch in Basel-Stadt gab es schon zweimal ein Nein. Das Hauptargument: Wer mitbestimmen will, soll sich einbürgern lassen.
In kaum einem europäischen Land sei das Einbürgerungsverfahren so restriktiv wie in der Schweiz, sagt Kantonsparlamentarierin Edibe Gölgeli. Die SP-Grossrätin hat den neuen Versuch für ein Basler Ausländerstimmrecht initiiert und findet, dass das Partizipieren nicht an den Pass gebunden sein sollte.
Diese Menschen bezahlen Steuern, sind unsere Nachbarn und arbeiten mit uns. Warum sollen sie nicht mitgestalten können ...
Gölgeli betont: «Diese Menschen bezahlen Steuern, sind unsere Nachbarn und arbeiten mit uns. Warum sollen sie nicht mitgestalten können, beispielsweise bei der Frage eines Mindestlohns?» Gölgeli erhofft sich diesmal bessere Chancen für Ihr Anliegen. Aber realistischerweise brauche es wohl noch mehr Anläufe wie damals beim Frauenstimmrecht, schätzt die Grossrätin.