Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte: Das Sprichwort gilt vermutlich auch in dem Fall. Der lachende Dritte ist in diesem Beispiel die Schweiz. Konkret streiten sich elf EU-Länder und die EU-Kommission. Die EU-Mitgliedstaaten hatten sich eigentlich darauf geeinigt, die Äquivalenz der Schweizer Börse nur befristet für ein Jahr anzuerkennen. Doch nun bringt ein Brief alles wieder durcheinander. SRF-Korrespondent Oliver Washington sagt, warum die Schweiz von der Zwietracht in Brüssel profitieren könnte.
SRF News: Worum geht es im Konflikt zwischen der EU-Kommission und den elf EU-Ländern?
Oliver Washington: Grob gesagt geht es um Kompetenzen. Wenn solche Äquivalenzen erteilt werden sollen, muss ein Regelwerk eingehalten werden. Die Kommission interpretiert dieses Regelwerk offensichtlich sehr weitgehend. Für einige Mitgliedstaaten masst sie sich damit zu weitreichende Rechte an. Auf der anderen Seite sind die Mitgliedstaaten, welche möchten, dass diese Regeln strikt eingehalten werden und die Kommission sozusagen zurück in das bestehende Regelwerk zwingen wollen.
Unter den elf Ländern, die den Aufstand gegen die EU-Kommission und Juncker proben, sind unter anderem auch Grossbritannien und Deutschland. Welche Rolle spielt Deutschland?
Gemäss unseren Recherchen hat Deutschland diese Aktion koordiniert. Das ist auch mit der spezifischen Rolle Deutschlands zu erklären. Die Schweiz braucht für die Börsenäquivalenz eine Art «Götti», also einen EU-Mitgliedstaat, der das Anliegen in der EU vertritt. Und das ist eben Deutschland. Die befristete Äquivalenz ist damit auch eine Niederlage für Berlin – und nun wehrt es sich dagegen.
Die Mitgliedstaaten befürchten, dass sie auch beim Brexit übergangen werden.
Darüberhinaus befürchten andere Mitgliedstaaten, dass dieses Vorgehen der EU-Kommission einen Präzedenzfall schaffen könnte. Sie befürchten, dass die Kommission auch beim Brexit die vorgesehenen Prozesse sehr weitgehend interpretieren oder gar verlassen könnte, sodass die Mitgliedstaaten übergangen werden. Das wollen sie mit diesem Protest verhindern. Deshalb hat dieser Brief durchaus auch eine grössere Bedeutung.
Wie könnte die Schweiz von diesem Machtgerangel in Brüssel profitieren?
Ich meine, dass dieses Gerangel die Position der Schweiz etwas stärkt und diejenige der Kommission etwas schwächt. Die Kommission setzt darauf mittels Druck auf die Schweizer Börse auch Druck auf die Schweizer Politik auszuüben, damit beim Rahmenabkommen mit der EU vorwärts gemacht wird. Die Mitgliedstaaten stellen das in Frage, weil sie sagen, dass sie die unbefristete Äquivalenz für die Schweizer Börse erteilen wollen.
Die Kommission müsste diesen Brief ernster nehmen.
Das Finanzdepartement in Bern reagiert erfreut auf diesen Brief. Man sieht diesen als Resultat der eigenen Anstrengungen. Interessant ist auf der anderen Seite die Reaktion der Kommission: Sie spielt diesen Brief runter. Die Absender seien lediglich Beamte und nicht Politiker, schreibt sie. Das stimmt. Trotzdem gehe ich davon aus, dass diese Chefbeamten die Rückendeckung der Politik haben. Ich meine, die Kommission müsste diesen Brief ernster nehmen.