Was tun, wenn Ärzte mehr Rezepte verschreiben als nötig und Patienten zu häufig in ihre Praxis bestellen? Denn dies kann viele Kosten für das Gesundheitssystem und damit auch für die Prämienbezahler verursachen. Deshalb überprüft der Krankendachverband Santésuisse die Höhe der Abrechnungen der 27’000 Ärzte in der Schweiz.
Kassen fordern Geld zurück
Wenn sie eine Bestätigung sehen, dass Ärzte unwirtschaftlich arbeiten oder absichtlich falsch abrechnen, fordern sie von ihnen Geld zurück. Die Direktorin von Santésuisse, Verena Nold, erklärt «10vor10»: «Wenn einer 30 Prozent höhere Kosten hat als seine Kollegen und wenn wir keine Erklärung sehen für die hohen Kosten, nehmen wir mit ihm Kontakt auf.»
2016 verrechneten 1431 Ärzte überdurchschnittliche Kosten, rund jeder 20 Mediziner. Nach Abklärungen, bat Santésuisse noch 370 von ihnen um eine schriftliche Erklärung und bei rund einem Drittel von diesen forderten sie Geld zurück.
Erst kürzlich sorgte ein solcher Fall für Aufsehen: Der Krankenkassenverband wirft einem Bieler Hausarzt vor, bei seinen Patienten zu viele Hausbesuche ohne zwingende medizinische Gründe gemacht zu haben. Deshalb soll er den Kassen nun mehr als eine halbe Million Franken zurückbezahlen. Das Bundesgericht wird in Kürze darüber entscheiden.
Ärzte fühlen sich unter Generalverdacht
Santésuisse argumentiert, dass sie durch die Kontrollen mit Datenanalyse mehr als 20 Millionen Franken sparen. Viele Ärzte hingegen fühlen sich unter Generalverdacht und oft ungerecht beschuldigt.
«In erster Linie erschrickt der Arzt», sagt Urs Stoffel vom Vorstand der Ärztevereinigung FMH. «Er versucht seine Patienten optimal zu behandeln – für seine Patienten da zu sein und erhält dann einen Brief, er habe überarztet.»
Wenn Santésuisse die Kosten der Ärzte überprüft, vergleichen sie Praktiker der gleichen Fachrichtung in der gleichen Region. Ältere und weibliche Patienten rechtfertigen dabei etwas höhere Kosten.
Chronisch Kranke werden neu berücksichtigt
Ärzte argumentieren jedoch, dass Alter und Geschlecht nicht genügen, um die Kosten zu erklären, da es auch alte günstige und junge teure Patienten gäbe. Einige Ärzte hätten schlicht mehr Patienten mit chronischen Leiden wie Krebs, HIV oder Niederleiden, die automatisch höhere Kosten verursachten.
Deshalb beachtet Santésuisse bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von Ärzten künftig auch, ob sie überdurchschnittlich viele chronisch kranke Patienten betreuen. Für den Ärzteverband FMH ist das aber vorläufig nur ein Schritt in die richtige Richtung.