Finanzminister Ueli Maurer lancierte an der SVP-Delegiertenversammlung vom Samstag die Diskussion, wie stark der Staat die Wirtschaft in dieser zweiten Welle unterstützen könne:
Wir haben nicht noch einmal 30 Milliarden – nicht noch einmal 30'000 Millionen – um auch in einer zweiten Welle solche Massnahmen zu begleiten.
Maurer weiter: «Wenn wir gesundheitlich etwas vorschreiben, müssen wir uns auch immer fragen: Was kostet es?»
Bei der politischen Konkurrenz löst Maurer damit Kopfschütteln aus. So sagt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer: «Die Aussage ist fahrlässig. Damit sagt Bundesrat Maurer zu allen betroffenen Selbständigen, prekär Beschäftigten, Geschäftsinhabern: ‹In dieser zweiten Welle gibt es nichts mehr.›»
CVP-Präsident Gerhard Pfister ergänzt: «Wie üblich wechselt Maurer den Hut, wenn er vor der Partei spricht oder wenn er Bundesrat ist. Ich halte diese Aussage für problematisch. Wir wissen alle noch nicht, wie wir aus dieser zweiten Welle herauskommen.»
Auch die Covid-Taskforce des Bundesrates widerspricht dem Finanzminister. So sagt deren Mitglied, der Lausanner Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart, wenn er die Verschuldung der Schweiz mit den Defizitregeln der EU vergleicht: «Es gibt keine fixe Grenze nach oben.»
Man muss die Möglichkeit offenhalten, dass man grossflächig A-fonds-perdu-Beiträge spricht.
Die Maastricht-Richtlinie besage, dass die Staatsverschuldung 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten dürfe. «Das würde uns erlauben, 200 Milliarden Franken zusätzliche Verschuldung aufzunehmen und wir wären immer noch innerhalb dieser Grenze.»
Das Geld sei nicht das Problem, betont Brülhart im Namen der Covid-Taskforce. Es ist vielmehr eine politische Frage, ob die Politik nochmals Milliarden in die Hand nehmen will, um die Wirtschaft zu stützen.
Frontalangriff auf Bundesrat
Damit stellt sich die Frage, ob die bereits beschlossenen Massnahmen ausreichen. Brülhart sagt, es brauche noch mehr Hilfe – auch für ganze Branchen, die Gastrobranche zum Beispiel: «Man muss die Möglichkeit offenhalten, dass man grossflächig A-fonds-perdu-Beiträge spricht.»
CVP-Präsident Gerhard Pfister findet das eine interessante Idee. Er erwartet vom Bundesrat, dass dieser am Mittwoch klar kommuniziert, mit welchen weiteren Massnahmen er die Wirtschaft unterstützen will – und greift den Bundesrat für dessen Krisenmanagement frontal an: «Er macht den Anschein, als sei er komplett unvorbereitet in etwas hineingestolpert, das er eigentlich hätte sehen müssen.»
Im Sommer sei versäumt worden, die Testkapazitäten hochzufahren und das Land auf Massnahmen vorzubereiten, die nötig seien, wenn die zweite Welle kommt, kritisiert Pfister weiter: «Dazu gehören auch wirtschaftliche Massnahmen, die nötig sein werden.»
Weltanschauliche Gräben
SP-Co-Präsidentin Meyer findet branchenspezifische Hilfen zwar problematisch, weil schwer abzugrenzen sei, wer zu einer Branche gehöre und wer nicht. Aber auch sie macht Druck. Sie fordert, dass zusätzlich zur Hilfe für Selbständige und zur Kurzarbeitsentschädigung auch die Mieterlasse und die bereits beschlossene Härtefall-Hilfe für Unternehmen rasch kommen müssen.
Auf die Bremse tritt dagegen SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Er sagt trotz zweiter Welle zu all diesen Forderungen: «Die Diskussion ist verfrüht.» Es seien bereits sehr viele Gelder für Arbeitslose, Kulturschaffende oder den Sport bewilligt worden.
«In diesen Töpfen hat es weiterhin Geld. Wenn die Pandemie bis ins nächste Jahr anhalten sollte, müssen wir über neue Unterstützungsmassnahmen diskutieren», schliesst Aeschi.