Es gab in den vergangenen Jahren viel Kritik an den unnatürlich anmutenden Eutern, die teilweise an Schweizer Viehausstellungen zu sehen sind. Prallvoll und glänzend gelten sie als Schönheitsideal. Manche Züchtenden melken dafür ihre Kühe sehr lange nicht und versiegeln mit Medizinal-Kleber die Zitzen, damit keine Milch auslaufen kann. Zudem werden die Euter mit Ölen, Salben und Cremes eingerieben. Und genau da tut sich nun etwas: Per 1. Dezember 2021 ist das Einölen der Euter verboten. Die Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Rinderzüchter (ASR) hat das Viehschau-Reglement entsprechend angepasst.
Rückstände von Mineralöl
Für diesen Schritt entscheidend gewesen sein dürften vor allem die Resultate mehrerer Milchproben: Das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen des Kantons St. Gallen hatte im Rahmen von Viehschauen in den Jahren 2019 und 2020 die Milch aus eingeölten Eutern untersucht und Rückstände von Mineralöl gefunden. Mehrheitlich handelte es sich nur um Spuren, teilweise wurden die Rückstände jedoch als «technisch vermeidbar» beurteilt.
Die Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die Rückstände ein Problem sind, weshalb wir reagiert haben.
Matthias Schelling, Vorsitzender des Geschäftsausschusses der ASR, sagt dazu, man sei überrascht gewesen über diese Ergebnisse. Oftmals würden Euter mit Baby-Öl eingerieben. Und dieses enthalte wie das gewöhnliche Melkfett Paraffinöl. «Deshalb hielten wir diese Produkte bisher für unbedenklich. Die Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die Rückstände ein Problem sind, weshalb wir reagiert haben.»
In der Branche umstritten
Ein weiterer Grund für das Verbot: Die glänzenden Euter seien auch unter den Züchtenden umstritten gewesen, sagt Matthias Schelling. Früher seien die Euter mit Babypuder behandelt worden, um etwas herauszustechen. Im Laufe der Zeit sei dann das Einölen hinzugekommen: «Und diese Schichten aus Ölen und Cremes wurden mit den Jahren immer dicker. Wir wollen aber, dass sich die Kühe möglichst natürlich an den Viehschauen präsentieren.»
Wir sind im ständigen Kontakt mit den Behörden – und wenn Anpassungen notwendig sind, werden wir diese zeitnah umsetzen.
Versiegelte Zitzen bleiben erlaubt
Die ASR begründet die neue Regel also mit der Lebensmittelsicherheit und mit ästhetischen Gründen. Was aber ist mit dem Tierwohl? Prallvolle Euter, bei denen die Zitzen teilweise mit Kollodium versiegelt werden, sind weiterhin möglich. Dass sich das in Zukunft ändert, schliesst Matthias Schelling nicht gänzlich aus: Sicher werde man das Reglement auch in Zukunft regelmässig überarbeiten. «Wir sind im ständigen Kontakt mit den Behörden – und wenn Anpassungen notwendig sind, werden wir diese zeitnah umsetzen.»
Das Viehschau-Reglement ist in der Vergangenheit immer wieder angepasst worden. Einen wichtigen Schritt gab es Anfang 2020: Seit dann müssen sämtliche Kühe vor dem Wettbewerb per Ultraschall kontrolliert werden. Tiere mit übervollen Eutern, in denen sich bereits Ödeme gebildet haben, dürfen nicht antreten.
Die Milch kann nicht mehr ablaufen, der Innendruck im Euter steigt und damit wird die Schmerzbelastung für die Tiere extrem hoch.
Tierschutz ist enttäuscht
Dass Euter nun nicht mehr eingeölt werden dürfen, sei sicher eine Verbesserung für das Tierwohl, sagt Julika Fitzi vom Schweizer Tierschutz: «Alles in allem fühlen sich die Tiere dadurch wohl weniger gestresst. Es gibt weniger Manipulationen am Euter und es kommen weniger Chemikalien an die Haut.»
Dennoch sieht sich Julika Fitzi noch lange nicht am Ziel. Seit Jahren verlangt sie Massnahmen gegen die prallen, übervollen Euter. Geht es nach ihr, müsste zwingend das Versiegeln der Zitzen verboten werden, denn dabei handle es sich um die grösste Manipulation am Euter: «Die Milch kann nicht mehr ablaufen, der Innendruck im Euter steigt und damit wird die Schmerzbelastung für die Tiere extrem hoch.»