Um diesen Fall ging es beim Bundesverwaltungsgericht
- Eine Juristin musste beim Staatssekretariat für Migration (SEM) Asylgesuche beurteilen und viele negative Entscheide kommunizieren. «Enorm belastend» sei die Arbeit gewesen.
- Trotz der hohen Belastung sei sie vom Arbeitgeber alleingelassen worden und habe ein stressbedingtes Burnout erlitten. Heute ist sie arbeitsunfähig und erhält eine IV-Vollrente.
- Sie fordert nun Schadensersatz von 360'000 und eine Genugtuung von 20'000 Franken.
Dass Arbeitgeber wegen gesundheitlichen Schäden verklagt werden, ist nicht neu. Neu und selten sei hingegen, dass es um ein Burnout gehe, sagt der Arbeitsrechtler Michael Merker. «Sie müssen beweisen, dass zwischen der Stressbelastung und ihrer Erkrankung ein Kausalzusammenhang besteht.»
Hohe Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs genügt
Das Problem: Krankheiten können viele Ursachen haben, etwa Veranlagung, Lebensweise etc. «Sie müssen also zeigen, dass es wegen ihrer Belastung am Arbeitsplatz soweit gekommen ist», erklärt Merker. Immerhin: «Die Gerichte lassen es gelten, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs hoch ist.»
Das heisst, die ehemalige SEM-Angestellte muss nachweisen können, dass das Burnout einzig und alleine von der Arbeit verursacht wurde, und nicht von privatem Stress, und dass der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt hat.
Von der ersten Instanz wurde die Klage der Frau abgewiesen: Die Juristin habe sich bewusst für die Stelle entschieden im Wissen darum, dass die Arbeit im Migrationsbereich belastend sei. Die zweite Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, hat der Klägerin nun aber teilweise Recht gegeben.
Auch wenn die Arbeit insgesamt stressig sei, habe der Arbeitgeber trotzdem eine Fürsorgepflicht, so Merker: «Immer dann, wenn er sieht, dass es der Person nicht gut geht, muss er etwas unternehmen, auch wenn die Situation am Arbeitsplatz objektiv betrachtet gut ist.» Das sehe man bei diesem Urteil sehr exemplarisch.
Klägerin muss beweisen, dass sie um Hilfe gebeten hat
Auch Thomas Geiser, Rechtsprofessor an der Universität St. Gallen sagt, dass juristisch durchaus belegt werden könne, dass der Arbeitgeber schuld sei an einem Burnout. Entscheidend sei, ob die Klägerin um Hilfe gebeten habe und dies auch beweisen könne.
«Wenn gut dokumentiert ist, was alles schief gelaufen ist, wenn gut dokumentiert ist, dass sich der Arbeitgeber nicht darum gekümmert hat, dann ist das schon nachweisbar.» Wie das Urteil im aktuellen Fall schliesslich lautet und ob die Schadensersatzklage tatsächlich durchkommt, ist noch offen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Ball an die Vorinstanz zurückgespielt. Der Bund müsse noch einmal Gelegenheit bekommen, zu beweisen, dass er alles unternommen habe, um der Frau zu helfen. Es hängt nun also davon ab, ob auch der Bund auf eine gute Dokumentation zurückgreifen kann oder nicht.
Die Beweisführung ist letztlich aufwändig und mühsam
Sollte die ehemalige Bundesangestellte Recht bekommen, könne es Nachahmer auf den Plan rufen – darin sind sich die beiden Arbeitsrechtler einig: «Das ist für andere, die vielleicht auch so einen Prozess führen wollen, interessant», glaubt Merker. Es könne durchaus sein, dass Urteile dieser Art künftig zunehmen.
«Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt sehr gut auf, wie man seine Sache darlegen muss, damit man Erfolg haben kann», so Merker. Mit einer regelrechten Explosion von Burnout-Schadensersatzklagen rechnet er aber nicht. Das 40-seitige Urteil zeige, wie aufwändig und mühsam die Beweisführung sei.