Strom für die Schule, das Schwimmbad, für öffentliche Einrichtungen: Bis jetzt zahlte Saint-Prex dafür etwa 70'000 Franken im Jahr. Nächstes Jahr dürften es 1.3 Millionen Franken werden. Zu viel, findet Gemeinderat Jan von Overbeck: «Wir wollen das nicht an unsere Bürgerinnen und Bürger weitergeben.»
Wenn ein Gut knapper werde, werde es natürlich teurer, aber nicht in diesem Ausmass, stellt der FDP-Politiker fest. Das Dorf werde sich gegen die hohen Preise wehren. Umso mehr, als niemand der Gemeinderegierung den Preisanstieg von fünf auf 80 Rappen pro Kilowattstunde schlüssig erklären könne.
Unter diesen Umständen müsse Spekulation angenommen werden, sagt von Overbeck und erinnert, dass zurzeit mit Strom spekuliert werde wie mit Öl oder Getreide. Die Gemeinde hat deshalb vor zwei Wochen den Preisüberwacher angeschrieben: Es gebe zwar relativ viele Anbieter, doch sei die Preisstruktur fast immer gleich und einige Grossanbieter beherrschten den Markt. Es gebe offenbar keinen echten Wettbewerb.
Man erhält den Eindruck, dass es keinen echten Wettbewerb gibt.
Als weiteres Argument führt die Gemeinde die Preise ins Feld, die Private erhalten, wenn sie von ihren Solaranlagen Strom ins System einspeisen: «Aktuell müssten sie das zum niedrigen Preis einspeisen, und der Anbieter könne es danach teuer verkaufen», so von Overbeck.
Preisüberwacher kann nicht direkt einwirken
Die Strompreise seien derzeit sehr unterschiedlich, stellt auch Preisüberwacher Stefan Meierhans fest. Er hat der Gemeinde Saint-Prex am Donnerstagnachmittag geantwortet: Er könne sehr gut nachvollziehen, dass man über die Lage schockiert sei. Aber er könne aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht direkt eingreifen.»
Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass man schockiert ist. Direkt eingreifen kann ich allerdings nicht
Meierhans sieht keine Anzeichen für ein Kartell und keinen Missbrauch von Marktmacht. Doch er sieht Preisauswüchse. Sie sind das Ergebnis von freiem Wettbewerb beziehungsweise von einer Mangellage im freien Markt. Und für diesen freien Markt hat sich die Gemeinde Saint-Prex freiwillig entschieden. Jahrelang bedeutete das niedrige Preise.
Noch nicht das letzte Wort
Muss die Gemeinde jetzt nicht einfach damit leben, mehr zu zahlen? Ja und Nein, so von Overbeck: «Wir sind voll einverstanden mit einer Marktwirtschaft samt Preisfluktuation. Nicht einverstanden sind wir mit dem Ausmass, das jenseits aller Verständlichkeit sei.»
Am Strompreis kann der Preisüberwacher also nicht rütteln. Er nimmt aber die öffentlichen Abgaben und die Netznutzung als andere grosse Brocken auf der Stromrechnung ins Visier. Er hat für die Netznutzung eine formelle Empfehlung an den Bundesrat gemacht.
Abgaben und Netznutzung
«Sowohl Bund, Kantone wie auch Gemeinden erheben Abgaben, die man reduzieren oder sogar stornieren kann, und auch die Netznutzung wird in der Schweiz wird viel zu teuer bezahlt und entschädigt», betont Meierhans. Auch da gebe es Potenzial, die Rechnung etwas erträglicher zu machen, doch das liege in den Händen der politischen Verantwortungsträger.
Die Gemeinde Saint Prex und der Preisüberwacher sind in Kontakt. Damit hat von Overbeck sein Ziel teilweise erreicht: «Wir wollen nicht einen Prozess anstreben. Denn das Problem liegt nicht nur bei den Anbietern, sondern auch in den nur teilweise deregulierten Machtstrukturen der Schweiz. Wir wollen diese Problematik darstellen.»