Die Artenvielfalt in der Schweiz ist unter Druck. Die staatliche Unterstützung von Produktionsprozessen oder von Konsum fördert den Verbrauch von Flächen und schadet so der Biodiversität. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).
Brisante Erkenntnisse einer neuen Studie:
Die Hauptautorin der Studie, Lena Gubler, steht auf einer landwirtschaftlichen Strasse, die gleichzeitig ein Veloweg ist. Vor ihr ein brachliegender Acker, hinter ihr die Autobahn und dahinter der Stadtrand von Zürich.
Hier fliessen unterschiedliche Subventionen, erklärt die Geografin: «Die Landwirtschaft ist der erste Bereich. Aber auch der Verkehr ist stark subventioniert, die Siedlungen sind durch Steuervergünstigungen und Abzugsmöglichkeiten ebenfalls stark vergünstigt.»
162 Subventionen unter die Lupe genommen
Wenn Landwirtschaft mit viel Stickstoffeinsatz betrieben wird, Autobahnen die Landschaft zerschneiden, Siedlungen auf der grünen Wiese gebaut werden, leidet die Artenvielfalt.
Insgesamt 162 Subventionen in acht Sektoren haben Gubler und ihr Team in Bezug auf den Schaden, den sie an der Biodiversität anrichten, untersucht. Neben Landwirtschaft, Verkehr und Siedlungsentwicklung gehörten dazu auch Forstwirtschaft, Energieproduktion, Tourismus, Abwasserentsorgung und Hochwasserschutz. «Der Verkehr und die Landwirtschaft kommen zahlenmässig an erster Stelle. Aber die Energieproduktion und die Siedlungsentwicklung kommen gleich danach», so Gubler.
Bei vielen Subventionen ist der Anteil, der die Biodiversität schädigt, schwer bezifferbar. Oft hängt die Wirkung davon ab, wie die geförderte Aktivität konkret umgesetzt wird: «Es gibt Beiträge für Flächen in der Landwirtschaft, die sonst aufgegeben würden. Gleichwohl werden sie auch für eine intensive Bewirtschaftung dieser Flächen gesprochen, wodurch die Biodiversität abnimmt.»
40 Milliarden Franken schädliche Subventionen
Unter dem Strich gehen die Autorinnen der Studie davon aus, dass 40 Milliarden Franken Subventionen pro Jahr der Artenvielfalt schaden.
Das sei nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch wenig sinnvoll, betont Hauptautorin Gubler. «Kosten fallen erstens bei der öffentlichen Hand an, weil diese Geld für die biodiversitätsschädigenden Subventionen sprechen muss. Zweitens entstehen ihr Kosten, weil sie auch Geld sprechen muss für Subventionen, die die Biodiversität fördern. Drittens fallen Kosten an, wenn Schäden behoben werden müssen.»
Allein die Reparaturkosten steigen stark an. Europäische Studien gehen davon aus, dass diese bis 2050 rund vier Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen könnten. Die öffentliche Hand könnte demnach viel Geld sparen, das sie heute zur Förderung der Biodiversität ausgibt, wenn sie weniger Zuschüsse mit schädigenden Auswirkungen sprechen würde.
WSL-Wissenschaftlerin Gubler empfiehlt deshalb, etwa 40 Prozent aller biodiversitätsschädigenden Subventionen abzuschaffen: «Dabei handelt es sich meistens um indirekte Subventionen durch Mindereinnahmen für Steuervergünstigungen. Die Subventionen, bei denen Geld an Begünstigte fliesst, empfehlen wir zur Umgestaltung.»
Kurz gesagt: Wenn der Staat Geld aktiv ausgibt, zum Beispiel um im Norden von Zürich den Ackerbau zu fördern, dann soll der Bauer künftig verpflichtet werden, die Biodiversität zu schützen.