Auch das Blaue Kreuz musste seine Brockenstuben während des Lockdowns schliessen. Die Folge: Zwei Monate keinen Rappen Umsatz bei hohen Fixkosten. Die Non-Profit-Organisation betreibt in den Kantonen St. Gallen und Bern vier Brockenstuben. Monatlicher Mietzins: rund 40'000 Franken.
«Für uns als Suchtorganisation, die vom Gewinn des Brockenstuben-Verkaufs lebt, war es ein Schock», sagt Didier Rochat. Gegenüber «Kassensturz» legt der Geschäftsführer des Blauen Kreuzes Schweiz seine Zahlen offen: 100'000 Franken Umsatzausfall allein im Brockishop Wil und ein Mietzins, der knapp 20 Prozent des Budgets belastet: «Da hatte ich einige schlaflose Nächte.»
«Solidarität» – Fehlanzeige
Didier Rochat bat bei den Vermietern um Reduktion des Mietzinses für die Zeit desLockdowns. Er hoffte auf Solidarität. Vergebens! Von allen Vermietern erhielt er eine abschlägige Antwort. Didier Rochat: «Es hiess, man müsse sich von Gesetzes wegen nicht am Schaden beteiligen, also mache man das auch nicht.»
Widerwilliger Gesetzesentwurf
Der Bundesrat wollte stets einen Eingriff in die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Mietern und Vermietern vermeiden. Er appellierte an die Hauseigentümer und hoffte auf dessen Solidarität. Ein Runder Tisch mit Vermieterinnen und Mietern war jedoch ergebnislos. Die Hauseigentümer wehrten sich erfolgreich dagegen. Reto Schär vom Verband Immobilien Schweiz betonte Ende April im «Kassensturz», man wolle aber «individuelle Lösungen» mit den Mietern suchen.
Das reichte dem Parlament nicht. In der Sommersession beauftragte es den Bundesrat mit einem Gesetzesentwurf. Vermieter sollen nun während der Zeit der Ladenschliessung auf 60 Prozent der Mieteinnahmen verzichten, so der Vorschlag.
«Enteignung» und «Unverhältnismässigkeit»
Immobilienverbände und bürgerliche Parteien bekämpfen den Gesetzesentwurf. Sie reden von «Enteignung» und von einem «Eingriff ins Privatrecht». Der Gesetzesentwurf sei «unverhältnismässig». Mieterverband, Gastrobranche sowie linke Parteien befürworten das Gesetz. Sie warnen vor einer Konkurswelle, wenn sich Hausbesitzer nicht an der Schadensbegrenzung beteiligen.
Verkraftbare Einbusse von 1,6 Prozent
Laut der Beratungsgesellschaft Wüest und Partner seien rund 80'000 Geschäftsmietverträge betroffen. Bei diesem Vorschlag müssten laut dem Beratungsbüro die Hauseigentümer auf rund 212 Millionen Franken Miete verzichten. Das sind lediglich 1,6 Prozent der gesamten jährlichen Mieteinnahmen.
«Die Arroganz des Kapitals»
Rudi Bindella betreibt gut 40 Restaurants in der ganzen Schweiz. Auch ihn traf die Schliessung seiner Betriebe sehr hart. Im Lockdown musste er rund 25 Millionen Umsatzeinbusse verbuchen.
Rudi Bindella ist auch Vermieter von Gewerberäumen. Seinen Mietern gewährte er freiwillig einen Mieterlass von rund zehn Prozent. Dasselbe erwartete er auch von seinen Vermietern, oft biss er aber auf Granit: «Die Hauseigentümer wollen sich nicht an der Schadensbehebung beteiligen.» Zu den Argumenten der Vermieter, die auf der vollen Jahresmiete beharren, meint Rudi Bindella: «Hier zeigt sich die Arroganz des Kapitals in seiner vollen Pracht.»