Taxifahrer warten im Moment vergebens auf Kundschaft. Sie dürfen zwar noch fahren, aber die Nachfrage ist um 90 Prozent eingebrochen. «Ich habe noch einige, die Einkäufe machen, aber das ist alles», sagt einer der Fahrer auf der Berner Taxizentrale. Viele der Fahrer sind selbstständig und haben kaum Reserven.
«Hätte nie gedacht, dass es so weit kommt»
«Im Moment habe ich nichts mehr, das Bargeld ist ausgegangen, die Rechnungen sind noch nicht bezahlt», erzählt Olivier Casetti. Er hofft, dass er nicht aufs Sozialamt muss, bald bleibt ihm aber nichts anders mehr übrig.
Im Moment habe ich nichts mehr.
Einen Schritt weiter ist sein Kollege Kalender Isik: «Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommt, dass wir Sozialhilfe beantragen müssen. Aber leider ist es jetzt so.»
Einmal stand ich vier Stunden am Bahnhof, es kam ein einziger Kunde.
Die Miete habe er noch bezahlen können, da seine Frau Teilzeit arbeite. Für die Krankenkassen-Rechnung musste er aber um Aufschub bitten. «Einmal stand ich vier Stunden am Bahnhof und habe gewartet, es kam kein einziger Kunde.»
Sorgen um Gesundheit
Zudem machen sich die Chauffeure Sorgen um ihre Gesundheit und diejenige ihrer Fahrgäste. «Ich habe Angst, denn ich gehöre zur Risikogruppe», sagt etwa Casetti. Er wolle weder sich selbst noch seine Fahrgäste anstecken.
Selbstständige Taxifahrer werden seit Anfang März vermehrt auf dem Berner Sozialamt vorstellig. Dort melden sich viel mehr Leute als normalerweise. Ähnlich tönt es auch in anderen grossen Städten wie Zürich, Basel, Luzern oder Winterthur. Doppelt so viele Fälle wie normalerweise oder sogar dreimal so viele.
Tränen am Schalter
«Die Leute, die kommen sind verunsichert, sie haben grössere Existenzangst, als wir es normalerweise sehen», erklärt Monika Moser, stellvertretende Leiterin des Sozialamts der Stadt Bern. «Am Nachmittag hatten wir jemanden hier, der seit über 30 Jahren in der Schweiz lebt und sich immer selbst finanzieren konnte. Es war ihm sehr unangenehm, dass er jetzt Sozialhilfe beziehen muss», erzählt Moser. Sie hätten auch schon Leute an den Schaltern gehabt, die in Tränen ausgebrochen seien, weil sie eigentlich nicht hier sein wollten. «Aber sie brauchen ja trotzdem etwas zu essen und müssen die Miete bezahlen», so Moser.
Nationale Lösung gefordert
Einige Städte haben nun reagiert und Nothilfe gesprochen für die Selbstständigen, die von den Bundesmassnahmen nicht direkt betroffen sind, aber trotzdem kaum mehr Einnahmen haben. Zudem hat Bundesrat Guy Parmelin am 1. April angekündigt, Hilfe für Härtefälle zu prüfen. Doch wie diese genau aussehen könnte, ist noch unklar.
Es brauche eine umfassende nationale Lösung, betont Nicolas Galladé, Sozialvorsteher der Stadt Winterthur und Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik. «Man hat gemerkt, dass es Lücken gibt, zum Beispiel bei den Taxifahrern oder den Physiotherapeuten. Diese Lücken gilt es jetzt zu stopfen.» Es sei wichtig, dass niemand zwischen Stuhl und Bank falle, sagt Galladé weiter. Diese Selbstständigen brauchten jetzt sofort eine Überbrückung.
Offene Fragen
Auch Taxifahrer Olivier Casetti hofft auf Bundesgelder. Auf seine Zukunft angesprochen, meint er: «Die sieht nicht gerade rosig aus, aber wir hoffen, dass es bald vorbei ist, und dann sind wir wieder voll da».
Nun stellt sich die Frage, in welche Richtung der Bundesrat geht: Hilfe nur für Härtefälle – oder will man alle Lücken stopfen?