Er ist eine feste Grösse im Schweizer Rap: Gian-Marco Schmid alias Gimma. Vor zweieinhalb Jahren hat der Bündner Musiker und Autor sein letztes Album, «Schwarza Rucksack», veröffentlicht. Darauf rappt er über Depressionen und Schicksalsschläge. Schon damals sagte Gimma bei SRF: «Wir müssen über unsere psychische Gesundheit reden.»
Nun entfaltet Gimmas unverblümter, direkter Stil auch in seinem neusten Buch seine Wirkung. In «Abschiede von Mutter» schreibt Schmid detailliert und explizit über die schwierige Beziehung zu seiner Mutter. Sie war alkoholkrank und starb vor etwas mehr als einem Jahr. «Ein sehr persönliches Buch», sagt er selbst.
Gian-Marco Schmid wuchs ab der dritten Klasse in einem Blockquartier in Domat/Ems direkt neben der Autobahn auf – mit seiner alleinerziehenden Mutter und der kleinen Schwester. Sein Buch sei «keine liebevolle Schimpftirade». Von Liebe würde er nicht mehr sprechen: «Mit der Liebe zu meiner Mutter habe ich vor etwa zehn Jahren abgeschlossen», sagt der heute 44-Jährige.
Ein Zitat aus dem Buch: «Was Mutter mir angetan hat, ist unverzeihlich.» Gimmas Reaktion: «Absolut unverzeihlich, deshalb habe ich es auch nicht verziehen.» Ändern könne sich dies nicht, sagt er im Interview mit dem Regionaljournal Graubünden von Radio SRF: «Es ist definitiv Hass, den ich für diese Person übrig habe.»
Als seine Mutter noch lebte, wohnten beide in Chur. Ihre Mutter-Sohn-Beziehung interpretierten sie unterschiedlich: Gian-Marco wollte keinen Kontakt, die Mutter schon. «Am Anfang hatte ich das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen, merkte dann aber, dass die Leute eingefahrene Bilder von mir haben. Ab einem gewissen Zeitpunkt bin ich nicht mehr darauf eingegangen.»
Auch mit diesem Konflikt will er aufräumen: die öffentliche Wahrnehmung. Indem er ein Buch darüber veröffentlicht. «Es ist hart, das als ‹PR-Stunt› zu bezeichnen.» «Abschiede von Mutter» sei ein von ihm emotional gefärbtes Buch, sagt der Rapper. «Für mich war es wichtig, das letzte Wort zu haben. Ich musste mir so lange Lügen anhören. Jetzt setze ich mit meiner eigenen Wahrheit den letzten Punkt.»
Die «Löwenzahnkinder»
Als SRF Gimma in Chur trifft, liest er eine Passage aus seinem Buch vor: «Alkohol und die Kneipe waren unserer Mutter wichtiger als wir. Das war meine Quintessenz nach den ersten zwanzig Jahren in dieser Thematik. Sie sprach es sogar einmal in meiner Gegenwart aus, sternhagelvoll an ihrem Küchentisch sitzend, rauchend, mit einer Körperhaltung wie eine verbeulte Leberwurst. Sie bestätigte: ‹Ja, diese Leute und die Kneipe sind mir wichtiger.›»
Es wird wahrscheinlich noch lange dauern, dies alles aufzuarbeiten.
Laut Sucht Schweiz sind schweizweit geschätzt 100'000 Kinder von einem suchtkranken Elternteil betroffen. Gimmas Geschichte soll darauf aufmerksam machen, dass betroffene Kinder nicht allein gelassen werden. Darum engagiert er sich im Verein «Löwenzahnkinder».
Gian-Marco Schmid bleibt seiner ehrlichen, unverblümten, direkten Linie treu. Und sagt: «Es wird wahrscheinlich noch lange dauern, dies alles aufzuarbeiten. Ich glaube, das Buch wird mir helfen, meine Version der Geschichte teilweise ad acta legen zu können.»