Bis in die 1960er-Jahre war der Umgang mit Abfall in der Schweiz relativ sorglos. Die Abfälle wurden irgendwo am Dorf- oder Stadtrand hingekippt, fertig. Jahre später rächt sich das, viele Gemeinden müssen ihre ehemaligen Deponien sanieren. Ein besonderer Fall ist die Sanierung einer solchen Deponie in Windisch, beim sogenannten «Wasserschloss» im Kanton Aargau.
Das Gebiet «Fröschegräbe» liegt etwas versteckt im Wald, in der Nähe des Zusammenflusses von Aare und Reuss. Pensionär Ernst Rauber erinnert sich auf einem Spaziergang daran, wie hier die «Ochsnerkübel» mit den Siedlungsabfällen geleert wurden. «Auch aus Nachbargemeinden kamen die Leute und kippten alles hin, sogar Farbreste. Das war halt so», erzählt der Windischer Zeitzeuge.
Später wurde die Deponie stillgelegt und entwickelte sich über Jahrzehnte zu einem Naturschutzgebiet. Heute gilt das Areal als Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung. Das Problem: Der Auenschutzwald sieht von aussen zwar naturbelassen aus, der Untergrund aber ist stark belastet, wie kantonale Untersuchungen gezeigt haben.
Es liegt Gift im Naturschutzgebiet
Zink, Blei, PCB (giftige Chlorverbindungen, früher als Hydraulikflüssigkeiten und Weichmacher genutzt) und andere Stoffe lagern im Boden. «Wir wissen aus den Sondierungen, dass hier neben Hauskehricht auch Bauabfall liegt», erklärt Gemeindepräsidentin Heidi Ammon (SVP).
Der Auenwald «Fröschegräbe»
Der Kanton verfügte deshalb eine aufwändige Sanierung: Auf einer Fläche von rund drei Fussballfeldern müssen mehrere Hundert Bäume gefällt werden, anschliessend werden die Altlasten ausgegraben und die Deponie wird mit neuer, sauberer Erde aus der Umgebung wieder aufgefüllt.
Die Kosten, welche vor allem von Bund und Kanton getragen werden, liegen bei rund 2.5 Millionen Franken. Eine so aufwändige Sanierung sei aber nicht immer sinnvoll, erklärt Michael Madliger von der Sektion Altlasten beim Aargauer Umweltdepartement. Der Eingriff in die Natur ist gross, der geschützte Auenwald wird Jahre brauchen, bis er sich von diesem Eingriff erholt hat.
4000 «gefährliche» Deponien in der Schweiz
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In der ganzen Schweiz gibt es rund 38'000 «belastete Standorte», wie das Bundesamt für Umwelt auf seiner
Website
festhält. Knapp 12'000 davon wurden bisher untersucht.
Bei 4000 Standorten spricht man von «Altlasten». Hier gehen die Expertinnen und Experten davon aus, dass die eingelagerten Substanzen Mensch und Umwelt gefährden können.
Rund 1600 dieser 4000 Standorte seien bereits saniert. Bis 2040 sollen alle Altlasten saniert sein, so das Ziel des Bundes.
Abgeschlossen sind die Arbeiten beispielsweise bei der Deponie Pont Rouge in Monthey und bei den grossen Sondermülldeponien Bonfol und Kölliken.
Trotzdem lohnt sich in diesem Fall die Sanierung der Deponie, sind die Gemeindepräsidentin und der kantonale Experte überzeugt. Denn es geht ums Grundwasser. «In diesem Gebiet liegt eine der wichtigsten Grundwasserfassungen im Kanton», erklärt Michael Madliger.
Alleine im Aargau gibt es 600 ehemalige Abfallgruben. Viele davon bleiben, wo sie sind. Bei 58 Deponien allerdings besteht Handlungsbedarf: Sie werden permanent überwacht oder eben sogar komplett saniert, so wie in Windisch.
Eine kleine Geschichte der Abfallentsorgung
Erst in den 70er- und 80er-Jahren verfügte die Politik in der Schweiz einen strenger regulierten Umgang mit Abfällen. Die erste Kehrichtverbrennungsanlage wurde zwar bereits 1904 in Zürich eröffnet, Basel und Bern folgten aber erst in den 50er-Jahren. «Und bis auch in diesen Gemeinden die Einsicht herrschte, dass die vermeintlich harmlosen Abfälle eben doch ein Problem sind, hat es ein bisschen länger gedauert», sagt Madliger.
Nun werden diese Spuren der Vergangenheit zum Teil also mit grossem Aufwand beseitigt. Das «Abfallproblem» ist aber noch lange nicht gelöst: In anderen Ländern fehlen noch immer Kehrichtverbrennungsanlagen. Und zum Beispiel Bauschutt muss auch in der Schweiz immer noch deponiert werden, da es noch keine sinnvollen Verwertungsmöglichkeiten gibt.
Echo der Zeit, 14.08.2022, 18:00 Uhr
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