Rauchen tötet jährlich 9500 Menschen. Und Werbung fürs Rauchen wirkt. Alle wissen es. Trotzdem sind 15 Jahre ohne Werbeverschärfungen vergangen. Seit der Unterzeichnung WHO-Rahmenkonvention zur Eindämmung des Tabakkonsums 2004 hätte die Schweiz ihre Werbevorschriften beim Tabak verschärfen müssen. Nichts ist passiert.
Jetzt plötzlich möchte der Ständerat ein schärferes aber nicht umfassendes Werbeverbot für Tabak und E-Zigaretten. Das hat heute der Ständerat in den Grundzügen beschlossen. Doch abgeschlossen sind die Beratungen damit noch lange nicht.
Für Hans Stöckli, Berner Ständerat und Vater der Initiative «Kinder ohne Tabak», sind die jahrelangen Beratungen zum Tabakproduktegesetz ein «Lehrstück der Politik».
Druck der Tabak-Lobby
So zeigen die Arbeiten an der Geschäftsnummer 15.075 – dem Bundesgesetz über Tabakprodukte – beispielhaft auf, wie Lobbying, Druck und Gegendruck in Bundesbern funktionieren.
Der erste Entwurf zum Tabakproduktegesetz von 2015 ging der Tabak-Lobby zu weit. Die Werbeverbote waren zu scharf. Das Gesetz wurde an den Bundesrat zur Überarbeitung zurückgewiesen: zu wirtschaftsfeindlich. Der Druck der Industrie wirkte.
Gegendruck durch Initiative
Dem Berner Hans Stöckli platzte darauf der Kragen. Das Lobbying der Zigarettenindustrie und deren Vertreter im Parlament ging ihm zu weit. «So nicht», sagte sich Stöckli. Der Bieler begann selber Druck aufzubauen, ausserhalb des Parlaments. Stöckli schmiedete eine Allianz, bestehend aus Ärzten, Drogisten, Apothekern, Lehrern, Sportlern und einem Teil der Versicherer. Die Initiative «Kinder ohne Tabak» war geboren. Diese sieht ein umfassendes Verbot für Tabakwerbung vor, die Jugendliche erreichen kann.
Letzte Woche reichten die Initianten um Hans Stöckli 113'500 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein. Und das nur fünf Tage vor der Beratung der zweiten Version des Tabakproduktegesetzes. Maximaler Druck also, direkt vor der Debatte!
Unter dem Einfluss der nahenden Initiative «Kinder ohne Tabak» – wer kann schon gegen ein solches Anliegen sein? – scheinen jetzt plötzlich Werbeverbote eine Chance zu haben, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. So stehen zur Debatte:
- Ein umfassendes Werbeverbot für Tabak im Internet, sowie Zeitschriften und Zeitungen.
- Ein Verbot von Tabaksponsoring an internationalen Veranstaltungen.
- Sowie ein schweizweites Mindestalter fürs Rauchen von 18 Jahren.
Werbende melden sich zu Wort
Diese Einschränkungen der Tabakwerbung führten erneut zu Gegendruck. Filippo Lombardi, Präsident des Verbandes Schweizer Werbung, versuchte darum heute mit einem in letzter Minute eingebrachten Rückweisungsantrag, auch dem zweiten Entwurf des Tabakproduktegesetzes von 2018 die Zähne zu ziehen. Als er jedoch merkte, dass die Kräfte gegen ihn sind, der Druck zu gross wurde, zog er seinen Rückweisungsantrag wieder zurück.
Noch ist das Tabakproduktegesetz also nicht zu Ende beraten. Man darf gespannt sein, wer sich am Schluss durchsetzen wird. Bei diesem Spiel aus Druck und Gegendruck.