Rebekka war 14 Jahre alt, als sie mit Lähmungserscheinungen ins Kinderspital eingeliefert wurde. Die Mutter, Ingrid Hofer, erinnert sich genau: «Es war der 13. Mai 2011.» Der Tag, der das Leben der Familie für immer veränderte. «Die Untersuchungen zeigten, dass ein Tumor auf der Höhe der Halswirbelsäule das ganze Rückenmark ummantelt.»
Es folgte eine Notoperation. Rebekka musste über zwei Monate im Spital bleiben. Später wurde sie ins Paraplegiker-Zentrum in Nottwil verlegt. Die letzten zwei Wochen ging ihr Bruder nicht mehr zur Schule. Alle blieben bei Rebekka. «Das Zimmer von Rebekka war wie ein Kokon», erzählt die Mutter. «Es kam zum Beispiel niemand mehr ins Zimmer, ohne vorher zu fragen.» Die Familie fühlte sich gut aufgehoben. Der Sohn konnte in dieser Zeit am Sportprogramm in Nottwil teilnehmen, erhielt Ablenkung und Struktur.
Viele Familien werden alleine gelassen
Dass es auch anders gehen kann, hat die Familie später in der Selbsthilfegruppe erfahren. «Die Kinder sterben oft im Spital und danach ist niemand mehr für die Familien da», sagt Ueli Hofer, der Vater von Rebekka. Die Spitäler hätten die Möglichkeit gar nicht, Familien in dieser Situation rundum zu betreuen. Darum wollen Ueli und Ingrid Hofer zusammen mit anderen Menschen ein solches Angebot schaffen. Das erste Kinderhospiz der Schweiz.
Sie haben sich im Verein Allani zusammengeschlossen und sind seit vier Jahren daran, das Kinderhospiz aufzubauen. Im Westen der Stadt Bern haben sie nun ein Bauernhaus gefunden, welches sie momentan mieten. Wenn sie genug Geld gesammelt haben, wollen sie es kaufen und umbauen.
Platz für Kinder, ihre Familien und einen Esel
Geplant sind mehrere Zimmer, wo je ein krankes Kind und seine Familie Platz haben. Im Garten hat es Platz zum Spielen und für Tiere. Die Verantwortlichen können sich vorstellen, einen Esel zu beherbergen.
Das Angebot soll für die ganze Familie da sein: Die kranken Kinder sollen von Fachkräften aus der Palliativpflege betreut werden. Eltern haben Menschen, die ihnen zuhören und auch die Geschwister werden betreut.
Es ist wichtig, dass die Kinder auch Momente der Freude haben.
Bei aller Trauer, die so ein Fall mit sich bringt, soll die Freude nicht zu kurz kommen, sagt Sarah Clausen vom Verein Allani. Die Physiotherapeutin arbeitet im Inselspital Bern in der Palliativpflege mit schwer kranken Kindern. «Kinder leben im Moment. Und wenn man da etwas Farbe hereinbringen kann, dann ist das ein grosses Geschenk für alle.» Dabei gehe es nicht darum, die Trauer oder die Angst auszuklammern. Aber man könne diesen negativen Emotionen die Schärfe nehmen.
Schweiz hat Nachholbedarf
In den Nachbarländern der Schweiz gebe es längst solche Angebote für Familien mit todkranken Kindern, sagt Sarah Clausen. Warum nicht in der Schweiz? «Das ist in der Schweiz ein heikles Thema. Es will niemand darüber reden, dass ein Kind stirbt», so Clausen.
Die Schweiz hat in diesem Bereich eine Versorgungslücke.
Jochen Rössler, Arzt und Abteilungsleiter beim Kinderspital Bern, kritisiert, dass das erste Schweizer Kinderhospiz von Ehrenamtlichen aufgebaut werden muss. «Wir haben da eine Versorgungslücke. Diese zu schliessen, wäre eigentlich Aufgabe des öffentlichen Gesundheitswesens.» Er ist überzeugt, dass ein Kinderhospiz wichtig wäre: «Es wird die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit schweren Erkrankungen, die nicht heilbar sind, extrem verbessern.» Denn eine so umfassende Betreuung könne man im Spital schlicht nicht leisten.