Seit einem Jahr müssen Arbeitgeber in Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit zuerst inländische Fachkräfte suchen, bevor sie nach fünf Tagen öffentlich ausschreiben dürfen. Die Stellenmeldepflicht werde befolgt und schaffe weniger Probleme als befürchtet, sagt Inlandredaktor Iwan Santoro.
SRF News: Wie fällt die erste Jahresbilanz zur Stellenmeldepflicht aus?
Iwan Santoro: Die Zahlen zeigen es schwarz auf weiss: Die Stellenmeldepflicht wird befolgt und übertrifft die Erwartungen des Bundes: Im Mai unterlagen fast zwei Drittel der rund 37'000 bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren gemeldeten Stellen der Meldepflicht. Täglich werden von Firmen weit über 500 Stellen gemeldet. Laut der Direktion für Arbeit beim Seco melden viele Arbeitgeber offene Stellen, obwohl sie gar nicht müssten. Zum Teil freiwillig, zum Teil, weil sie nicht sicher sind, ob sie der Meldepflicht unterliegen oder nicht.
Wieviele Arbeitslose konnten dank Inländervorrang angestellt werden?
Dazu gibt es noch keine Zahlen. Der Bund zieht erst im Herbst Bilanz. Allerdings dämpft Amtsleiter Boris Zürcher die Erwartungen, dass man dies dann herauslesen kann. Mittelfristig soll es aber möglich sein. Insbesondere soll auch aufgezeigt werden können, wie und wo sich die Stellenmeldepflicht auch auf die Zuwanderung auswirkt. Denn deswegen hat man ja dieses nicht unbürokratische Prozedere überhaupt eingeführt, als eine Folge der Masseneinwanderungsinitiative. So sei es auch Ziel der Politik zu zeigen, was das bringe.
Erweist sich die Meldepflicht als zusätzliche bürokratische Hürde bei der kurzfristigen Stellenbesetzung?
Ja. Vor allem aus dem Gastgewerbe kommt diese Kritik, wo Personal oft sehr schnell und nur für eine gewisse Zeit zur Verfügung stehen muss. In vielen Berufsgattungen wie Küchenpersonal, Empfangs- oder Reinigungspersonal beträgt die Arbeitslosigkeit über acht Prozent. Bei den Kantonen kann man die Kritik teilweise nachvollziehen, glaubt aber auch, dass vielen Gastrobetrieben noch nicht bewusst ist, dass bei befristeten Anstellungen unter zwei Wochen keine Meldepflicht besteht.
Bei einer weiteren Kritik, der genauen Bezeichnung der Berufsgattungen, hat der Bund Besserung gelobt. Denn ein Koch ist nicht einfach ein Koch. Bei aller Kritik geht vielleicht vergessen, dass auch viele Bauberufe von der Stellenmeldepflicht betroffen sind. Ebenso PR-und Marketingfachleute fallen darunter. In diesen Berufen beträgt die Arbeitslosigkeit über zehn Prozent. Von diesen Branchen ist jedoch keine Kritik zu hören – für die Behörden ein Zeichen, dass für den Grossteil der betroffenen Arbeitgeber die Meldepflicht kein Problem ist.
Wie bewältigen die Behörden den Zusatzaufwand?
Bei den grossen Deutschschweizer Kantonen Basel, Bern, St. Gallen und Zürich heisst es, die Dossiers von Stellensuchenden könnten fristgerecht innert dreier Tage den Arbeitgebern zugestellt werden. Entgegen anfänglicher Befürchtungen, der Zusatzaufwand sei mit bestehendem Personal nicht zu bewältigen, wurden in den Kantonen Bern, Basel und St. Gallen keine neuen Stellen geschaffen. Hier kommt den Arbeitsvermittlungszentren allerdings auch die momentan sehr tiefe Arbeitslosigkeit entgegen. Der Kanton Zürich ist ein Sonderfall, denn er hat für die Einführung des Inländervorranges eigens ein Stellenmeldezentrum mit 19 Vollzeitstellen eingerichtet.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.