- Der äthiopische Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed hat Bewegung in den schwelenden Konflikt mit dem Nachbarland Eritrea gebracht.
- Das ist auch für die Schweiz von Interesse: Über 40’000 Eritreerinnen und Eritreer leben hier, vor allem Flüchtlinge und Asylsuchende.
- In Eritrea selbst hat sich die Lage aber nicht verbessert, sind sich Migranten, Experten und die offizielle Schweiz einig.
Gross war die Überraschung und vor allem die Freude, als im Sommer 2018 Äthiopien und Eritrea Frieden schlossen. Zwei Staaten, die sich zuvor jahrzehntelang bekämpft hatten. Plötzlich waren die Grenzen wieder offen, lang getrennte Verwandte konnten sich besuchen, Handels- und Geschäftsbeziehungen erlebten einen Aufschwung.
«Doch die Euphorie ist längst wieder verflogen», sagt die Eritrea-Aktivistin Veronica Almedom. Innenpolitisch, bei den Menschenrechten, sei die Situation in Eritrea heute schlimmer als vor dem Friedensvertrag: «Schon bald nach dem Friedensschluss hat sich die Zahl der Flüchtlinge noch einmal drastisch erhöht. Diese Leute haben gesehen, dass sich das Regime nicht ändert.»
Die Menschen wollen einfach nur weg.
Der nach oben unbegrenzte Militärdienst bestehe noch immer, erklärt Almedon. Kürzlich seien sogar medizinische Einrichtungen geschlossen worden. «Die Menschen wollen einfach nur weg.» Die 29-Jährige ist als Kleinkind mit ihren Eltern aus Eritrea in die Schweiz geflüchtet. Sie leitet heute in Genf das regimekritische «Informationsforum für Eritrea».
Ernüchterung trotz Friedensprozess
Aber auch Hans-Ulrich Stauffer ist ernüchtert. Der Eritrea-Kenner ist Mitglied des Unterstützungskomitees für Eritrea (Suke), das dem Regime in Asmara weit weniger kritisch gegenüber steht. Der Friedensschluss habe zwar zu Verbesserungen in der Infrastruktur geführt, sagt Stauffer. Innenpolitisch aber habe sich die Regierung Afewerki kaum bewegt: «Ich sehe nicht, dass sich gegenüber der früheren politischen Situation viel geändert hätte.»
Dass nun der äthiopische Staatschef Abyi Ahmed den Friedensnobelpreis erhält, der eigene Präsident aber nicht, registrierten die Eritreerinnen und Eritreer selbstverständlich. Ob dadurch der Druck auf die Regierung grösser werde, sei offen: «Ich kann mir vorstellen, dass das zu neuen Fragestellungen in Eritrea selbst führt. Ich bin aber skeptisch, ob sich wegen des Friedensnobelpreises an Abyi etwas im Land bewegen wird.»
Menschenrechtsverletzungen, willkürliche Haft und sogar Folter sind nach wie vor verbreitet in Eritrea.
Reformen müssten ohnehin von innen kommen, betont Almedom – unabhängig von Äthiopien: «Es hat keine demokratischen Reformen gegeben und kein politisch Gefangener wurde freigelassen.» All das zeige, dass man dem eritreischen Regime nicht trauen dürfe.
Bund sieht keine Fortschritte
Ähnlich sieht es die offizielle Schweiz. Man analysiere die Situation in Eritrea laufend, sagt Reto Kormann, Sprecher des Staatssekretariates für Migration. Aber Fortschritte seien kaum feststellbar: «Menschenrechtsverletzungen, willkürliche Haft und sogar Folter sind nach wie vor verbreitet in Eritrea. Insbesondere im Bereich des Nationaldienstes.»
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht kürzlich entschieden, dass für eine kleine Gruppe von abgewiesenen Asylsuchenden aus Eritrea die Rückkehr zumutbar sei. Aber selbst diese können gar nicht ausgeschafft werden: Eritrea nimmt keine Landsleute auf, die nicht freiwillig zurückkehren.