Es war die Bundespräsidentin persönlich, die vor einem Jahr, nur wenige Stunden nach dem gewaltigen Bergsturz bei Bondo eine Erklärung dafür lieferte: Der Klimawandel. Und wörtlich meinte Umweltministerin Doris Leuthard damals: «Es wird weitergehen mit solchen Zwischenfällen».
Die Klimaerwärmung als Schuldige. Die Erwärmung in den Bergen, die das normalerweise dauerhaft gefrorene Gestein, den Permafrost, auftaut. Und zu gewaltigen Bergstürzen führt. Stimmt das so?
Experte relativiert
Ueli Gruner, Geologe und Lehrbeauftragter für Naturgefahren an der Universität Bern, hat die Bergstürze im Alpenraum studiert und sagt dazu: «Es konnte kein Zusammenhang zwischen Hitze und Bergstürzen hergestellt werden – in kälteren und nassen Zeiten kann es tendenziell sogar zu etwas mehr Bergstürzen kommen.»
In kälteren und nassen Zeiten kann es tendenziell sogar zu etwas mehr Bergstürzen kommen.
Von grossen Bergstürzen spricht man, wenn Gesteinsmassen von mehr als einer Million Kubikmeter abbrechen. Zu solchen Bergstürzen komme es im Alpenraum durchschnittlich alle fünf bis zehn Jahre, sagt Gruner. Aber wie sieht es mit kleineren Felsstürzen aus? Zum Beispiel jetzt, im Hitzesommer 2018?
Einfluss von Hitze und Gewittern
Marcia Philipps, Geografin und Permafrost-Forscherin im Institut für Schnee- und Lawinenforschung sagt: «Der Hitzesommer 2018 hat ähnliche Folgen wie die vorherigen.» Das bedeute, dass es zu oberflächennahen Felsstürzen komme. Diese passierten auf der Auftauschicht von Permafrost und beträfen die obersten Zentimeter bis einige Meter des Permafrosts. Allerdings sei dies nicht aussergewöhnlich: «Hitze und Gewitterregen führen dazu, dass die Felsen destabilisiert werden.»
Im Frühling, wenn der Frost auftaut, herrsche auch eine Steinschlaggefährdung in den Alpen, gibt Gruner zu bedenken. «Auch dann gibt es viele Ereignisse – nur bemerkt es niemand, weil Skitourengänger statt Berggänger unterwegs sind.»
Auch im Frühling gibt es viele Ereignisse – nur bemerkt es niemand.
Sommerliche Zunahme nicht belegt
Es gebe zwar eine Häufung von kleineren Felsstürzen im Zeitraum von Juli bis September, sagt Geografin Philipps. Allerdings wisse man nicht, ob diese mit der Zeit zugenommen hätten: «Wir erfahren das heute, weil viele Leute mit einem Smartphone unterwegs sind und fotografieren und filmen. Früher bekam man diese Informationen einfach nicht.» Oder erst Tage oder Wochen später.»
Gestein verhält sich bei Hitze erfahrungsgemäss ruhiger, als wenn es kalt ist.
Es sei zu unterscheiden zwischen den Hochalpen und den Gebieten, in denen wir uns normalerweise bewegten, erklärt Gruner. «In den Hochalpen, wo Permafrost auftaut, kann es zu einer Häufung von solchen Ereignissen kommen.» Hitze habe aber grundsätzlich gar einen positiven Effekt, sagt der Geologe: Gestein verhalte sich nämlich bei bei Hitze erfahrungsgemäss ruhiger, als wenn es kalt sei, Schnee taue und Regen in die Klüfte eindringe.