- Der Nationalrat will die 27 Jahre alten Regeln zum Datenschutz einem Update unterziehen und jenen der EU angleichen.
- Die Vorlage bleibt aber umstritten. Linke Parteien fordern weitere Nachbesserungen.
- Ansonsten sei ein Absturz des Datenschutzgesetzes programmiert.
Im Grundsatz ist sich die Politik einig, dass es gewisse Anpassungen braucht, denn das aktuelle Datenschutzgesetz stammt noch aus der Vor-Internet-Zeit. Kommissionssprecher Matthias Jauslin (FDP/AG) brachte es zu Beginn der Debatte auf den Punkt: «Das Smartphone hat uns überholt, die IT ist allgegenwärtig, Datenaustausche sind heute so vielfältig, dass die Regelung aus dem Jahr 1992 nicht mehr standhält.»
Gefahr aus der EU droht
Überdies soll das Schweizer Datenschutzrecht demjenigen der Europäischen Union angeglichen werden. Die EU hat seit vergangenem Jahr neue Regeln. Die EU überprüft bis im Mai 2020, ob der Datenschutz in der Schweiz noch gleichwertig ist mit ihrem eigenen. Das wäre derzeit nicht der Fall.
Ändert die Schweiz ihre Bestimmungen nicht, drohen hiesigen Unternehmen grosse Wettbewerbsnachteile, wie Justizministerin Karin Keller-Sutter zu bedenken gab. Für die Firmen würde ein Austausch von Daten mit Betrieben in der EU schwierig.
Vorerst keine «unheilige Allianz»
Das Reformprojekt ist komplex: Über neunzig Bundesgesetze sollen insgesamt geändert werden. Fast sieben Stunden brütete die grosse Kammer am Dienstag und Mittwoch über der Vorlage. In der Gesamtabstimmung stimmte sie mit 98 zu 68 Stimmen bei 27 Enthaltungen für die Totalrevision des Datenschutzgesetzes. Nein sagte die SVP, die Enthaltungen kamen von links-grüner Seite.
Damit hat die Vorlage die erste Hürde genommen. Mehrere weitere folgen. Als nächstes beugt sich die ständerätliche Kommission über das Gesetzesprojekt. Auch dort dürften die Meinungen auseinandergehen. Die Nationalratsdebatte zeigte die tiefen Gräben zwischen links und rechts auf.
Weiter absturzgefährdet
Für die SP und die Grünen geht der nun verabschiedete Entwurf noch viel zu wenig weit. Sie fordern mindestens die Erhaltung des heutigen Standards sowie die Erfüllung der Europaratskonvention zum Datenschutz. Der Ständerat müsse «zwingend notwendige Korrekturen anbringen», hiess es verschiedentlich.
Über allem schwebte die Drohung, das ganze Paket am Ende abzulehnen. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) hielt fest, dass sich das Links-Grün-Lager in der Schlussabstimmung alle Optionen offenhalte: «Wir werden mit keiner Wimper zucken, das Gesetz bachab zu schicken, wenn es so unbrauchbar ist wie jetzt.» Cédric Wermuth (SP/AG) dachte bereits an ein allfälliges Referendum: «Die aktuelle Vorlage hätte vor dem Volk keine Chance.» Das Parlament müsse noch auf den «Pfad der Vernunft» kommen.
«Minenfeld für KMU»
Die SVP dagegen ging während der ersten Beratung im Parlament in die Fundamentalopposition. Das neue Datenschutzgesetz sei ein Papiertiger und komme – wieder einmal – nur wegen des Drucks vonseiten der EU aufs Tapet. «Wir haben langsam genug davon, jeden Unsinn zu übernehmen», sagte Gregor Rutz (SVP/ZH).
Zudem stösst sich die Partei daran, dass Unternehmen weniger gut geschützt würden als bisher. Andreas Glarner (SVP/AG) bezeichnete die aktuelle Vorlage als «Minenfeld für KMU» und «Konjunkturprogramm für Anwälte».
In weiser Voraussicht, dass das Datenschutzgesetz noch lange zu reden geben wird, hatte das Parlament weniger umstrittene Punkte in zwei Entwürfen vorgezogen und bereits vor einem Jahr verabschiedet.