«Uns ist bewusst, dass das Thema sehr emotional ist und polarisiert. Wir sind aber überzeugt, dass wir ein sehr pragmatisches Vorgehen gewählt haben», sagt Regierungsrätin Susanne Hartmann (Die Mitte) vom Bau- und Umweltdepartement an der Medienkonferenz des Kantons und der Stadt St. Gallen. Am Mittwochmorgen präsentierten die Behörden ein Konzept zu einer fast flächendeckenden, etappenweisen Einführung von Tempo 30 in der Stadt.
Erster Schritt ist die nächtliche Umsetzung
11'000 der etwas über 80'000 Menschen in St. Gallen sind gemäss Mitteilung übermässigem Strassenlärm ausgesetzt. Der Bund schreibt in der Lärmschutzverordnung vor, wie laut der Verkehr in Wohngebieten sein darf. Temporeduktionen sind kostengünstig und senken die Lärmbelastung. Gemäss Bundesamt für Umwelt werden die Emissionen um drei Dezibel reduziert, wenn statt 50 nur 30 km/h gefahren wird. Das würde sich gefühlt um die Hälfte leiser anhören.
Uns ist bewusst, dass das Thema sehr emotional ist und polarisiert.
Die Temporeduktion von 50 auf 30 km/h soll nun im grossen Stil in St. Gallen eingeführt werden. Der Kanton und die Stadt haben dazu gemeinsam das Konzept «Tempo-Regime» erarbeitet. In einem ersten Schritt soll ab Frühling 2024 auf fast allen Hauptstrassen nachts von 22 bis 6 Uhr nur noch 30 km/h schnell gefahren werden. Da sind auch die Hauptverkehrsachsen betroffen. Eine Massnahme, die zum Beispiel Lausanne bereits heute kennt.
In der zweiten Etappe, die bis Ende 2025 umgesetzt werden soll, sollen Temporeduktionen auch tagsüber dazukommen, die keine Folgekosten im öffentlichen Verkehr mit sich bringen. Im dritten Teilschritt kommen weitere Strassen hinzu. Dabei würden auch Folgekosten für den ÖV erwartet. Im vierten Schritt soll der Verkehr dann auch auf den beiden Hauptverkehrsachsen, der Rorschacher Strasse und Zürcher Strasse, nur noch mit Tempo 30 rollen.
Die einzelnen Massnahmen würden immer mit dem Busverkehr abgestimmt, heisst es seitens der Behörden. Beim öffentlichen Verkehr entstehen bei einer Temporeduktion Mehrkosten in Millionenhöhe: Es braucht zusätzliches Rollmaterial und Personal. Dazu kommen bauliche Massnahmen wie zusätzliche Busspuren, damit der Fahrplan weiterhin eingehalten werden kann. In St. Gallen sollen die Auswirkungen auf den ÖV ab der dritten Etappe rund 1.1 Millionen Franken pro Jahr kosten.
Flickenteppich in Zürich
Argumente, die der Stadt Zürich im Sommer 2021 zum Verhängnis wurden, als sie grossflächig Tempo 30 auf Hauptstrassen auszurufen versuchte. Zürich musste zurückrudern, weil es Widerstand gab. Danach musste der Stadtrat jede Situation einzeln beurteilen, was zu einem Flickwerk führte. Zürich führte eine Temporeduktion in der Nacht nur teilweise ein.
Ein Flickwerk möchte die Regierung in St. Gallen nicht. Der Plan für die nächsten sechs Jahre steht. Bis Ende 2028 soll auch die vierte Etappe umgesetzt werden. Bis auf einzelne Abschnitte, die beispielsweise zum Nationalstrassennetz gehören, soll Tempo 30 im grossen Stil gelten.