Das Wichtigste in Kürze
- Rund 7700 Franken sollte eine mittellose 81-jährige Rentnerin aus der eigenen Tasche bezahlen. Sie musste wegen einer Hirnblutung ins Spital und wurde danach an ein Pflegeheim überwiesen. Die Aufenthaltskosten sind dort durch die Krankenkassen nicht gedeckt.
- Der Fall weist auf ein altbekanntes Politikum hin: In der sogenannten Akut- und Übergangspflege besteht eine Deckungslücke.
- Der Heimverband Curaviva und eine Gesundheitspolitikerin nehmen nun einen neuen Anlauf, um die Lücke auszumerzen.
Die Hirnblutung hatte Folgen: Nach der Behandlung im Spital Thun im letzten Herbst habe seine Mutter immer noch Mühe mit Bewegungen gehabt, und auch das Sprechen sei ihr schwergefallen, erzählt einer ihrer Söhne dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Es war deshalb klar, dass die Frau nicht gleich wieder zurück in ihre Wohnung konnte. Sie brauchte Betreuung und eine Therapie.
Das Spital schlug ihr zwei mögliche Therapieorte vor: Ein anderes Spital oder ein Pflegeheim. Die Seniorin kannte das Pflegeheim. Es liegt ganz in der Nähe ihres Wohnorts, und sie isst jeweils in dessen Restaurant zu Mittag. Deshalb fiel ihr die Wahl nicht schwer.
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Hat das Spital die Patientin ungenügend informiert?
Schockiert war sie aber, als sie dann von jenem Heim erste Rechnungen erhielt. Rund 7700 Franken sollte sie insgesamt aus der eigenen Tasche bezahlen. Ein Ding der Unmöglichkeit. «Ihr Kontostand lag zu jener Zeit bei Null», erinnert sich ihr Sohn. Er kritisiert das Spital Thun. Dieses habe die Rentnerin nicht genügend über die Kostenfolgen informiert.
Am alternativen Therapieort wären die Kosten durch die Grundversicherung gedeckt gewesen. Im Pflegeheim hingegen gehen die sogenannten Hotelleriekosten für Zimmer und Mahlzeiten zulasten des Patienten.
Die Familie bemühte sich deshalb um finanzielle Unterstützung des Spitals, der Krankenkasse, des Heims und der Sozialversicherung. Erst ohne Erfolg.
Spital und Sozialversicherung lenken ein
Dann schaltete die Familie auch den «Kassensturz» und «Espresso» ein. Ob deswegen oder nicht, es kam Bewegung in die Sache. Das Spital Thun übernimmt nun einen Teil der horrenden Kosten. Das Spital weist zwar die Kritik zurück. Man habe die Patientin sehr wohl auch über die Kostenfolgen orientiert. Dies geschehe routinemässig, man habe schliesslich von Gesetzes wegen eine Aufklärungspflicht, sagt eine Verantwortliche des Spitals gegenüber «Espresso».
Sie räumt jedoch auch ein, im betreffenden Fall sei der Fehler passiert, dass man diese Info nicht wie üblich auch schriftlich festgehalten habe. Dafür entschuldige man sich.
Eingerenkt hat schliesslich auch die Sozialversicherung. Ein weiterer Teil der Kosten wird über die Ergänzungsleistungen gedeckt. Am Ende bleiben von den Anfangskosten nur noch rund 60 Franken. Es hat sich für die Familie also gelohnt, sich zu wehren.
Deckungslücke in der Akut- und Übergangspflege
Der Fall weist auf einen höchst umstrittenen Punkt in der Pflegefinanzierung hin: In der sogenannten Akut- und Übergangspflege (AüB) besteht eine Deckungslücke für Patienten, die relativ rasch aus dem Spital entlassen werden, aber noch Betreuung benötigen. Seit der Einführung der Fallpauschalen ist dies immer häufiger der Fall.
Curaviva, der Schweizerische Heimverband, will dieses Manko eliminieren. Er fordert, dass der Aufenthalt im Pflegeheim künftig während bis zu acht Wochen vergütet wird: «Während dieser Zeit sollen in einem Pflegeheim die gleichen Regeln gelten wie im Spital. Dies würde bedeuten, dass die Kosten für Hotellerie und Betreuung nicht mehr von den Patienten getragen werden müssten», sagt Curaviva-Direktor Daniel Höchli.
Curaviva hat diesen Vorschlag zusammen mit anderen Änderungsvorschlägen zur Pflegefinanzierung beim Bundesrat deponiert.
Auch CVP-Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel, die sich schon seit Jahren für eine bessere Unterstützung der Betroffenen in solchen Fällen einsetzt, will demnächst einen erneuten Vorstoss zum Thema einreichen.
Längerfristig eine Kosteneinsparung
Wird damit das Gesundheitswesen nicht über Gebühr zusätzlich belastet? Nein, sind Humbel und Höchli überzeugt. Der Mehraufwand lohne sich, denn eine optimale Betreuung nach dem Spital führe dazu, dass die betroffenen Patienten – vor allem die älteren Menschen – danach wieder selbstständig zu Hause leben können. Und dies entlaste ja das Gesundheitswesen letzten Endes wieder.
Der Bundesrat wird sich gemäss Bundesamt für Gesundheit bis im Sommer zu einer allfälligen Änderung der Pflegefinanzierung äussern.