- Die Professorin Kerstin Noëlle Vokinger zeigt in ihrer Studie, dass zwischen dem Preis und dem Nutzen von Krebsmedikamenten fast nie ein Zusammenhang besteht.
- Vokinger fordert, dass der Preis zum Wohle der Patienten und Prämienzahler den Nutzen besser widerspiegeln müsse.
- Der Verband Interpharma kritisiert das aktuelle Preisfestsetzungs-System. Es berücksichtige den Nutzen nur beschränkt.
- Klare Worte dagegen vom Bundesamt für Gesundheit: Die Preise von Krebsmedikamenten seien grundsätzlich zu hoch.
Die Professorin der Schnittstelle Recht und Medizin der Universität Zürich, Kerstin Noëlle Vokinger, hat die zugelassenen Krebsmedikamente in Europa und den USA auf ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis untersucht. Vokinger kommt zum Schluss: Zwischen dem Preis und dem Nutzen von Krebsmedikamenten besteht grundsätzlich keine Korrelation, also kein klarer Zusammenhang.
Die Wissenschafterin gegenüber der «Rundschau»: «Es gibt Medikamente, die einen hohen Nutzen und einen tiefen Preis aufweisen. Aber umgekehrt auch Medikamente, die einen tiefen Nutzen und einen hohen Preis haben. Dann gibt es Medikamente, welche für die gleiche Indikation einen ähnlichen Nutzen haben können, aber einen völlig unterschiedlichen Preis.»
Hoher Preis, geringer Nutzen
Professorin Vokinger hat mit einem Team von WissenschafterInnen der Uni Zürich und der US-Universität Harvard den Nutzen von Krebsmedikamenten verifiziert. Es wurden dabei Faktoren wie verlängerte Lebensdauer, Dauer bis zum Tumorwachstum, Verträglichkeit oder Lebensqualität berücksichtigt.
Die «Rundschau» hatte Einblick in die Ergebnisse, die am amerikanischen und europäischen Onkologie-Kongress präsentiert wurden und bald in einem Wissenschafts-Magazin veröffentlicht werden. Ein Vergleichsbeispiel aus der Studie zum Prostatakrebs: Das Medikament mit geringem Nutzen ist monatlich rund 1800 Franken teurer als das Medikament mit hohem Nutzen. Ähnliche Beispiele finden sich etliche.
«Es geht um das Patientenwohl»
Die Studie, die von der Krebsforschung mitfinanziert wurde, zeigt weiter: 60 Prozent der untersuchten Medikamente in der Schweiz weisen einen geringen Nutzen auf. Viele davon figurieren in der Studie unter den teuersten.
Wissenschafterin Vokinger sagt, man sehe auch im Alltag, dass teuer nicht immer besser bedeute. «Hier aber geht es um die Gesundheit, etwas sehr Essenzielles für den Patienten. Im Sinne des Patientenwohls plädiere ich dafür, dass man den klinischen Nutzen bei der Preisfestsetzung der Medikamente besser berücksichtigt.»
Interpharma hat eine andere Sicht
René Buholzer, Geschäftsführer des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen, Interpharma, erstaunt es nicht, dass die Studie der Uni Zürich eine mangelnde Korrelation zwischen Preisen und Nutzen feststellt. Das aktuelle Preisfestsetzungs-System berücksichtige den Nutzen nur beschränkt.
Buholzer plädiert für ein breiteres Nutzenverständnis: «Nicht nur der therapeutische Wert eines Medikamentes muss eine Rolle spielen, sondern auch dessen indirekter, gesellschaftlicher Nutzen. Etwa wenn ein Patient früher aus dem Spital kommt oder schneller wieder am Arbeitsplatz ist.» Ein solches Nutzenverständnis müsste stärker im Preis reflektiert werden.
Für Vokinger wäre das keine sinnvolle Lösung: «Wenn wir den therapeutischen Nutzen noch weiter fassen, diesen aber nicht konkret bestimmen, besteht die Gefahr, dass die Preise noch stärker in die Höhe getrieben werden.» Angaben dazu lägen bei der Zulassung häufig zudem nicht vor.