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Tibeter fühlen sich in der Schweiz überwacht
Aus Rendez-vous vom 09.03.2018. Bild: Keyston
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Tibeter in der Schweiz Chinas Schatten über der Diaspora

  • Die Kulturrevolution in China kostete Hunderttausende das Leben. Auch Minderheiten wie die Tibeter wurden verfolgt.
  • Die Schweiz war in den 1960er-Jahren das erste europäische Land, das tibetische Flüchtlinge aufnahm. Viele fanden bei uns eine neue Heimat.
  • In letzter Zeit beklagen sich Tibeterinnen und Tibeter, dass der Druck der chinesischen Regierung auch in der Schweiz immer stärker zu spüren sei.

Die Tibeter in der Schweiz seien in letzter Zeit vorsichtiger geworden und überlegten es sich zweimal, ob sie an einer Demonstration teilnehmen oder sich öffentlich zur Politik äussern sollen, beobachtet Palmo Brunner. Die 30-Jährige arbeitet als Politikwissenschaftlerin an der Universität Zürich und ist gleichzeitig aktiv als Co-Präsidentin des Vereins Tibeter Jugend in Europa.

Brunner sieht auch die Gründe für die Zurückhaltung: «Junge Tibeterinnen und Tibeter, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, wollen hier nicht aktiv sein.» Sie hätten Angst, so Brunner, dass sie dann nicht mehr nach Tibet oder China reisen könnten. Doch genau das sei für viele der jungen Generation ein Traum.

Bericht zu bedrohten Grundrechten

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Ein Bericht, den Tibeter-Organisationen und die Gesellschaft für bedrohte Völker heute gemeinsam herausgegeben haben, beschreibt, wie sich viele in der tibetischen Diaspora von der chinesischen Regierung überwacht und in ihrem Demonstrationsrecht eingeschränkt fühlen.

So wollen viele Schweiz-Tibeter nicht auf Demonstrationen mit tibetischen Flaggen oder Bildern des Dalai Lama gesehen werden. Denn sie haben Angst, dass sie dabei von Mitarbeitern des chinesischen Geheimdienstes beobachtet werden.

Wohlbegründete Ängste

Diese Angst sei keineswegs abwegig, findet Brunner, und erzählt von ihren eigenen Eindrücken von Pro-Tibet-Demonstrationen in Zürich und Bern, an denen sie in letzter Zeit teilgenommen hat: «Beim Konsulat ist ziemlich offensichtlich. Dort wird vom Balkon her fotografiert, zu wem eine Person gehört.»

Am 10. März 2017 gedachten Exil-Tibeter dem 58. Jahrestag des tibetischen Nationalaufstands.
Legende: Am 10. März 2017 gedachten Exil-Tibeter dem 58. Jahrestag des tibetischen Nationalaufstands. Viele in der Diaspora fürchten sich aber davor, öffentlich Solidarität mit der fernen Heimat zu zeigen. Keystone

Doch auch beim Staatsbesuch von Xi Jinping hätte man beobachten können, wie chinesische Bürger Teilnehmer der bewilligten Kundgebung fotografiert hätten. Viele Tibeter in der Schweiz machen sich auch Sorgen um Familienangehörige, die im chinesisch kontrollierten Tibet wohnen.

Ich will nicht, dass meine Verwandten in Tibet wegen meines politischen Engagements Probleme bekommen. Deswegen habe ich keinen Kontakt mit ihnen.
Autor: Jampa Samdho Mitglied des tibetischen Exilparlaments

Jampa Samdho lebt in der Nähe von Winterthur und ist Mitglied des tibetischen Exilparlaments. Zu seinen Verwandten in Tibet nimmt er bewusst keinen Kontakt auf: «Ich will nicht, dass meine Verwandten in Tibet wegen meines politischen Engagements Probleme bekommen. Deswegen habe ich keinen Kontakt mit ihnen.»

«Eine Grundsatzfrage für Peking»

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Martin Aldrovandi, SRF-Korrespondent in Schanghai: «Jede Person oder Exil-Gruppierung, die beansprucht, dass Tibet, Xinjiang oder andere Gebiete von China unabhängig sein sollen, wird von China nicht geduldet. Dabei geht es um Grundsätzliches: Die territoriale Souveränität von China ist nicht verhandelbar. Das gilt auch für Menschenrechtsorganisationen, die die Lage in Tibet kritisieren und auch für ausländische Medien. (...) In China selbst hat die Repression von Minderheiten insgesamt zugenommen. Bei der muslimischen Minderheit der Uiguren etwa wurde die staatliche Überwachung ausgebaut; man kann nicht ohne weiteres nach Xinjiang einreisen, Menschenrechtsorganisationen sowieso nicht. Ausländische Journalisten dürfen nur auf geführte Touren. Es ist schwer, sich ein unabhängiges Bild der Lage zu machen. Tibeter, die mehr Souveränität oder etwa auch mehr Sprachunterricht an Schulen fordern, werden sogar eingesperrt. Unter Xi Jinping hat der Nationalismus, die Vorstellung der grossen chinesischen Nation, definitiv zugenommen. Gegenüber dem Ausland tritt man als zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt ohnehin selbstbewusst auf. Kein Land wird es sich erlauben können, China nachhaltig zu verärgern.

Auch die offizielle Schweiz ist besorgt

Samdho hat ausserdem den Verdacht, dass politisch aktive Tibeter, zum Beispiel die Mitglieder des Exil-Parlaments, immer wieder Ziel von chinesischen Hacker-Angriffen werden. Er nennt in diesem Zusammenhang ein Ereignis der letzten Wochen: «Alle Parlamentarier haben eine E-Mail bekommen. Wer sie geöffnet hat, bei dem wurde das ganze System blockiert.» Ein IT-Mitarbeiter des tibetischen Exil-Parlaments habe ihnen im Nachhinein erzählt, dass die E-Mail von Hongkong aus geschickt wurde.

Tibeter protestieren gegen den Staatsbesuch von Xi Jinping.
Legende: Am 17. Januar 2017 besuchte der chinesische Präsident Xi Jinping die Schweiz. Protestierende Tibeterinnen und Tibeter sollen damals im Auftrag Pekings fotografiert worden sein. Keystone

Ob da wirklich die chinesische Regierung dahinter steckt, lässt sich nicht belegen. Allerdings: Auch offizielle Schweizer Stellen machen sich Sorgen. So spricht der Nachrichtendienst des Bundes von einem «selbstbewussten und fordernden Verhalten Chinas», das die Schweiz in letzter Zeit vor allem in Bezug auf die tibetische Exilgemeinschaft zu spüren bekomme.

Beispielsweise würden offizielle Empfänge des Dalai Lama von China in keiner Weise mehr geduldet. Die Regierung in Peking übe diesbezüglich auch diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf die Schweiz aus.

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