- Die Kulturrevolution in China kostete Hunderttausende das Leben. Auch Minderheiten wie die Tibeter wurden verfolgt.
- Die Schweiz war in den 1960er-Jahren das erste europäische Land, das tibetische Flüchtlinge aufnahm. Viele fanden bei uns eine neue Heimat.
- In letzter Zeit beklagen sich Tibeterinnen und Tibeter, dass der Druck der chinesischen Regierung auch in der Schweiz immer stärker zu spüren sei.
Die Tibeter in der Schweiz seien in letzter Zeit vorsichtiger geworden und überlegten es sich zweimal, ob sie an einer Demonstration teilnehmen oder sich öffentlich zur Politik äussern sollen, beobachtet Palmo Brunner. Die 30-Jährige arbeitet als Politikwissenschaftlerin an der Universität Zürich und ist gleichzeitig aktiv als Co-Präsidentin des Vereins Tibeter Jugend in Europa.
Brunner sieht auch die Gründe für die Zurückhaltung: «Junge Tibeterinnen und Tibeter, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, wollen hier nicht aktiv sein.» Sie hätten Angst, so Brunner, dass sie dann nicht mehr nach Tibet oder China reisen könnten. Doch genau das sei für viele der jungen Generation ein Traum.
So wollen viele Schweiz-Tibeter nicht auf Demonstrationen mit tibetischen Flaggen oder Bildern des Dalai Lama gesehen werden. Denn sie haben Angst, dass sie dabei von Mitarbeitern des chinesischen Geheimdienstes beobachtet werden.
Wohlbegründete Ängste
Diese Angst sei keineswegs abwegig, findet Brunner, und erzählt von ihren eigenen Eindrücken von Pro-Tibet-Demonstrationen in Zürich und Bern, an denen sie in letzter Zeit teilgenommen hat: «Beim Konsulat ist ziemlich offensichtlich. Dort wird vom Balkon her fotografiert, zu wem eine Person gehört.»
Doch auch beim Staatsbesuch von Xi Jinping hätte man beobachten können, wie chinesische Bürger Teilnehmer der bewilligten Kundgebung fotografiert hätten. Viele Tibeter in der Schweiz machen sich auch Sorgen um Familienangehörige, die im chinesisch kontrollierten Tibet wohnen.
Ich will nicht, dass meine Verwandten in Tibet wegen meines politischen Engagements Probleme bekommen. Deswegen habe ich keinen Kontakt mit ihnen.
Jampa Samdho lebt in der Nähe von Winterthur und ist Mitglied des tibetischen Exilparlaments. Zu seinen Verwandten in Tibet nimmt er bewusst keinen Kontakt auf: «Ich will nicht, dass meine Verwandten in Tibet wegen meines politischen Engagements Probleme bekommen. Deswegen habe ich keinen Kontakt mit ihnen.»
Auch die offizielle Schweiz ist besorgt
Samdho hat ausserdem den Verdacht, dass politisch aktive Tibeter, zum Beispiel die Mitglieder des Exil-Parlaments, immer wieder Ziel von chinesischen Hacker-Angriffen werden. Er nennt in diesem Zusammenhang ein Ereignis der letzten Wochen: «Alle Parlamentarier haben eine E-Mail bekommen. Wer sie geöffnet hat, bei dem wurde das ganze System blockiert.» Ein IT-Mitarbeiter des tibetischen Exil-Parlaments habe ihnen im Nachhinein erzählt, dass die E-Mail von Hongkong aus geschickt wurde.
Ob da wirklich die chinesische Regierung dahinter steckt, lässt sich nicht belegen. Allerdings: Auch offizielle Schweizer Stellen machen sich Sorgen. So spricht der Nachrichtendienst des Bundes von einem «selbstbewussten und fordernden Verhalten Chinas», das die Schweiz in letzter Zeit vor allem in Bezug auf die tibetische Exilgemeinschaft zu spüren bekomme.
Beispielsweise würden offizielle Empfänge des Dalai Lama von China in keiner Weise mehr geduldet. Die Regierung in Peking übe diesbezüglich auch diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf die Schweiz aus.