Bio Suisse lässt an der Delegiertenversammlung vom 17. November 2021 über das Ende des Kükensterbens abstimmen. Bis in fünf Jahren soll die Schweizer Bio-Branche auf eine nachhaltige Eierproduktion umstellen. Denn: Auch die Bio-Produzenten vergasen jedes Jahr rund 700‘000 männliche Küken.
Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz kritisiert seit Jahren diese Praxis: «Es ist skandalös, dass man Leben ausbrütet, und danach gleich wieder vernichtet. Gerade im Bio-Bereich erwarte ich, dass hier ein Riegel geschoben wird.»
Hähnchen setzen zu wenig Fleisch an
Die Eierproduzenten arbeiten derzeit mit hochgezüchteten Hühnerrassen, welche pro Jahr und Tier rund 330 Eier legen. Dazu benötigen die Hennen hochwertiges Proteinfutter. «Das Problem bei der konventionellen Zucht, die bisher auch im Bio-Bereich zum Einsatz kam, sind die Hähnchen: Sie setzen im Verhältnis zum Futterkonsum zu wenig Fleisch an», sagt Herman Lutke Schipholt, Leiter der Koordinationsstelle Geflügel von Demeter.
Die Lösung des Problems könnten jetzt zwei neue Hühnerrassen bringen: «Coffee» und «Cream» heissen diese Züchtungen aus der «Ökologischen Tierzucht GmbH», dem deutschen Partnerbetrieb von Demeter. «Die Männchen produzieren mehr Fleisch, die Hennen legen etwas weniger Eier, dafür brauchen sie weniger hochwertiges Futter. Das wäre DIE Lösung für die Bio-Landwirtschaft», ist Herman Lutke Schipholt überzeugt.
Neue Hühnerrasse bringt Lösung
Auch Bio-Suisse bevorzugt die Umstellung auf das Zweinutzungshuhn, lässt aber den Bio-Bauern auch die Wahl der Bruderhahnmast. Demeter Schweiz tötet bereits seit vier Jahren keine Küken mehr. Weil diese Hähnchen aber nur wenig Fleisch ansetzen, findet man sie höchstens als Nischenprodukt in Hofläden und vier bis fünfmal jährlich im Detailhandel.
Auch über die Geschlechtererkennung im Ei lässt Bio Suisse abstimmen: Bei dieser Methode brennt ein feiner Laserstrahl in jedes Brutei ein winziges Loch. Aus diesem wird mit einer Pipette ein Tröpfchen Flüssigkeit entnommen. Darauf folgt eine Art Schwangerschaftstest. Männliche Bruteier können so von weiblichen unterschieden werden. Die männlichen Embryos werden aussortiert und samt Ei schockgefrostet, geschreddert und zu Tierfutter verarbeitet.
Tierschützerin Nadja Brodmann ist von dieser Technik wenig überzeugt: «Die In-Ovo-Methode ist zwar eine gute technische Lösung für ein ethisches Dilemma. Aber sie zementiert die Hochleistungszucht: Wir haben immer noch die völlig einseitig, auf höchste Eierleistung gezüchteten Legehennen, die nach einem Jahr ausgezehrt sind – und dann einfach entsorgt werden.»
Eier und Fleisch werden teurer
Ob Zweinutzungshuhn, Bruderhahn oder In-Ovo: Die Umstellung der Eierproduktion geht nicht ohne die Konsumenten, betont Herman Lutke Schipholt von Demeter: «Die Konsumenten müssen bereit sein, mehr für's Ei und für's Fleisch zu bezahlen. Aber sie müssen auch weniger konsumieren: Sie könnnen nicht mehr so viel Eier und so viel Fleisch essen wie bis anhin. Das müssen sie mittragen, sonst geht es nicht.»