Der Grossteil der Milchkühe in der Schweiz lebt in Laufställen, sie können sich frei bewegen und den Kontakt mit ihren Artgenossinnen pflegen. Doch 42 Prozent der Tiere leben in Anbindeställen. Dort verbringen sie – vor allem im Winter – den grossen Teil der Tage im Stall.
So zum Beispiel bei Bauer Hans Studer: Er hat zehn Simmentaler Kühe in einem neuen Stall, alles ist sehr gepflegt, die Tiere blitzsauber, der Bauer mit Freude an der Arbeit. Konrad Klötzli von der «Interessensgemeinschaft Anbindestall» hat diesen Vorzeigebetrieb für den Besuch des «Kassensturz»-Filmteams ausgesucht.
Rindvieh braucht nicht so viel Bewegung.
13 Mal pro Monat lässt der Bauer im Winter seine Kühe auf den Vorplatz. Er macht beim Programm «Raus» mit, was «Regelmässiger Auslauf der Tiere» bedeutet. Das geschieht nicht in allen Anbindeställen. Seine Kühe sind im Sommer auf der Alp. Von September bis Mai leben sie im Stall, jede an ihrem Platz. Im Anbindestall hätten die Tiere genug Bewegung, sagt Konrad Klötzli: «Rindvieh wird viel verglichen mit einem Pferd und das ist falsch», sagt er. Die Wiederkäuer würden fressen, kauen, stehen, liegen. Zudem seien die Tiere im Winter ruhiger und ihr Bewegungsdrang sei weniger stark.
Es ist wichtig, dass man Kühe auch im Stall bewegt.
Nina Keil vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen erforscht die Verhaltensweisen von Rindern. Ihre Erkenntnisse zeigen schon seit Jahren: «Zur artgerechten Haltung von Milchkühen gehört sehr wohl viel Bewegung. Kühe sind dafür gemacht, lange Distanzen zu laufen. Jeden Tag, beim Fressen, pro Biss einen Schritt nach vorn.» Die Bewegung beim Fressen würde dafür sorgen, dass der Bewegungsapparat gesund bleibt, Muskeln trainiert werden, Bänder durchblutet. «Es ist daher wichtig, dass man Kühe auch im Stall bewegt.»
Kuhtrainer - Strafe durch Stromschlag
Ein weiteres Problem: In älteren Ställen hängen häufig elektrische Kuhtrainer. Diese bestrafen die Kuh bei Berührung mit einem Stromschlag. Über dem Rücken der Tiere hängt ein Bügel. «Sauberhaltebügel» nennt ihn der Bauer. Harnt oder kotet die Kuh, macht sie einen Buckel und stösst gegen den Bügel, das ist unangenehm. So macht sie einen Schritt nach hinten und kotet nicht auf die Liegefläche.
Mittlerweile dürfen neue Kuhtrainer nicht mehr installiert werden, bestehende dürfen aber in Betrieb bleiben. «Der Kuhtrainer schränkt die Kuh sehr ein, noch zusätzlich über Anbindehaltung hinaus», sagt Wissenschafterin Nina Keil.
IG-Anbindestall-Präsident Konrad Klötzli hat zwar keinen elektrischen Kuhtrainer, verteidigt das alte System jedoch: «Für uns ist es noch heute das beste Gerät und funktioniert. Dem Tier fügt es absolut keinen Schaden zu.»
Zu kleine Standplätze
Und es gibt noch ein Problem in Anbindeställen: Der Platz. Die Rassen werden grösser und die Grösse der Plätze entsprechend kleiner. Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz sagt: «Mit der Zucht auf hohe Milchleistung werden die Kühe immer grösser, sodass ältere Anbindeställe mit der Zeit nicht mehr tierschutzkonform sind.» Tiere würden sich anschlagen, prellen, an Hinterbeinen verletzen. Beim Aufliegen auf Kanten können Druckstellen bis hin zu Druckgeschwüren entstehen. «Zu kleine Standplätze sind tierschutzrelevant.»
Die Tierschützerin fordert: «Anbindeställe sind aus Tierschutzsicht nicht tiergerecht und gehören verboten. Solange das nicht der Fall ist, fordern wir Sommer und Winter den täglichen Weidegang. Gerade der Winter ist sonst ein grosses Problem. Dann müssen Tiere Stunden und sogar Tage am gleichen Ort verbringen.