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Todesopfer bei Bränden Warum rettete die Feuerwehr die Menschen nicht aus den Flammen?

Im Mittelland starben zwei Personen bei Bränden, obwohl die Feuerwehr schnell vor Ort war.

Sie gelten bei Kindern als Helden, als Retter in der Not. Trotzdem können Feuerwehrmänner und -frauen nicht immer Leben retten. In den letzten zwei Wochen kamen im Mittelland gleich zwei Menschen bei Feuern ums Leben.

Zum einen in Erlinsbach (SO). Dort starb eine Frau beim Brand eines 500-jährigen Gebäudes. Zum anderen kam in Villmergen (AG) ein Mann beim Brand eines Einfamilienhauses um. Bei beiden Bränden war die Feuerwehr schnell vor Ort, die Todesfälle verhindern, konnte sie aber nicht.

Brennendes Haus
Legende: Im ehemaligen Gasthof Löwen in Erlinsbach (SO) befanden sich mehrere Wohnungen sowie eine Kindertagesstätte. Der Brand wurde durch menschliches Verschulden verursacht. Kantonspolizei Solothurn

Bei beiden Feuern gingen Feuerwehrleute zwar in die brennenden Gebäude hinein, konnten aber nicht in jene Hausteile vordringen, wo die Personen später tot geborgen wurden. Dies erklärt Urs Ribi, der bei der Aargauischen Gebäudeversicherung als Feuerwehrinspektor für die Feuerwehren zuständig ist.

Eigene Sicherheit geht vor

«In Erlinsbach stand der Dachstock in Flammen, die Gipsdecken brachen bereits ein», beschreibt Ribi die Situation beim denkmalgeschützten Gebäude. «So war es zu gefährlich, da müssen die Feuerwehrleute an ihre eigene Sicherheit denken.»

Die Feuerwehr will helfen und Menschen retten. Es gibt aber etwas, das noch wichtiger sei als dieser Grundsatz, betont auch Markus Grenacher, Feuerwehrinspektor des Kantons Solothurn. «Feuerwehrleute bringen sich selber nicht in Gefahr, um andere Menschen oder Tiere zu retten.»

Feuerwehrleute stehen vor der Ruine
Legende: In der Ruine des Hauses in Villmergen fanden die Feuerwehrleute die Leiche eines Mannes. Er wohnte alleine in dem Gebäude. Warum das Haus brannte, ist noch nicht bekannt. Aargauer Kantonspolizei

Wenn die Feuerwehr bei einem brennenden Gebäude ankommt, dann muss es schnell gehen. «Wir gehen sofort in die Gebäude rein, aber entscheidend ist immer, dass man auch wieder rauskommt», sagt Urs Ribi.

Markus Grenacher fügt hinzu, dass die ersten Minuten entscheidend seien. Denn: «In der Regel verbrennen die Menschen nicht, sie ersticken am Rauch.» Und dabei reichten wenige Minuten im starken Rauch, um zu sterben.

Es zerreisst einem Feuerwehrmann das Herz.
Autor: Urs Ribi Feuerwehrinspektor Aargau

Es sei deshalb unsinnig, nach einer Stunde noch jemanden in ein brennendes Haus zu schicken. Später komme hinzu, dass die Feuerwehrleute Spuren zur Brandursache zerstören könnten, wenn sie durch die Brandruine stapfen. Da spreche man sich eng mit der Polizei ab, sagt Markus Grenacher.

Nachbesprechung bei Grossbränden

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Schwierige Einsätze würden immer im Nachhinein besprochen, sagt der Aargauer Feuerwehrinspektor Urs Ribi: «Man muss realistisch über die Situation sprechen.»

Dabei gehe es darum zu klären, was gut lief und was weniger. «Man soll aus Fehlern lernen», sagt auch Markus Grenacher, Solothurner Feuerwehrinspektor.

Für Feuerwehrleute, die mit schwierigen Situationen nicht umgehen können, gibt es die Möglichkeit von psychologischer Hilfe, zum Beispiel durch ein Care Team.

Die Entscheidung, ob Feuerwehrleute in brennende Gebäude hineingeschickt werden, liege beim Einsatzleiter. Eine enorm schwierige Entscheidung: «Es zerreisst einem Feuerwehrmann das Herz», beschreibt Urs Ribi die Situation, wenn es den Verdacht gäbe, dass noch jemand im brennenden Gebäude sei, aber niemand zur Rettung hineingeschickt werden könne. Unglücke, bei denen Feuerwehrleute bei den Löscharbeiten starben, dienen allerdings als mahnendes Beispiel.

Brände, die ein Trauma hinterliessen

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Wrack in Tiefgarage
Legende: Beim Einsturz einer Einstellhalle kamen in Gretzenbach sieben Feuerwehrleute ums Leben. Keystone / EDDY RISCH

Zwei Brände sind im Mittelland in spezieller Erinnerung. Zum einen der Brand in einer Tiefgarage in Gretzenbach im Jahr 2004. Damals stürzte die Decke ein und begrub mehrere Feuerwehrleute unter sich, sieben starben. Es ist das grösste Feuerwehrunglück der Schweizer Geschichte.

Zum anderen starben 1996 drei Feuerwehrleute beim Brand der Papierfabrik Tela in Niederbipp (BE). Ein Jahr später nahm sich der damalige Einsatzleiter das Leben.

«Diese Brände hallen bei den Feuerwehren nach», sagt Markus Grenacher. «Da mussten wir in der Ausbildung Angst und Respekt vor Grossbränden wieder auf ein gesundes Niveau runterbringen.»

Einsatzleiter sind zwar ausgebildete Offiziere. Allerdings kommen Grossbrände bei Dorffeuerwehren nicht häufig vor. Deshalb können die Einsatzleiter bei Grossereignissen Hilfe anfordern. In den Kantonen Aargau und Solothurn gibt es jeweils jemanden bei der Gebäudeversicherung, der Pikettdienst hat und bei Grossereignissen ausrücken kann.

Auch Statiker können aufgeboten werden, um die Situation abzuschätzen und damit eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen für die schwierige Entscheidung, ob Feuerwehrleute in ein brennendes Gebäude geschickt werden sollen oder nicht.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 20.01.2023, 12:03 Uhr ; 

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