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Kaltërina Latifi fordert, dass sich die Community mit Gewalt gegen Frauen auseinandersetzt
Aus Rendez-vous vom 14.06.2024. Bild: Colourbox
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 57 Sekunden.

Tötungsdelikt Bergdietikon «Es ist kein Einzelfall»

Im September 2022 hat ein Ehemann in Bergdietikon seine Frau getötet. Das Tötungsdelikt hat hohe Wellen geschlagen, auch in der albanischen Diaspora. Das Opfer war eine 41-jährige Wirtschaftsexpertin mit kosovo-albanischen Wurzeln. Der Ehemann ist ursprünglich albanischstämmiger Nordmazedonier. Kritisch geäussert zum Thema hat sich unter anderem die Essayistin Kaltërina Latifi, die selber Wurzeln im Kosovo hat.

Kaltërina Latifi

Essayistin und Literaturwissenschaftlerin

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Die Autorin ist seit 2021 Kolumnistin bei der Wochenzeitschrift «Das Magazin». Sie ist Fellow an der Queen Mary University of London.

SRF News: Sie haben sich zum Tötungsdelikt geäussert – warum?

Kaltërina Latifi: Das Tötungsdelikt hat mich sehr, sehr getroffen. Die Frau war integriert in der Schweiz, hat Karriere gemacht, einen Doktortitel erworben - und trotzdem kam es zu diesem tragischen Ende. Das hat bei mir etwas ausgelöst. Als Kosovo-Albanerin, die zum Teil in der Schweiz lebt, bekomme ich mit, dass das ein Thema ist. Es ist nicht ein Einzelfall. Das ist ein Thema, das wir ansprechen müssen: Gewalt gegen Frauen, die Frauenrolle, überhaupt, wie sich eine Frau zu verhalten hat im kosovo-albanischen Kontext.

Was haben Sie für Reaktionen erhalten auf Ihre Kolumne?

Ich bekam sehr viele positive Rückmeldungen. Mein Eindruck war aber, dass das vorwiegend Schweizer Leser waren. Von der kosovo-albanischen Community kam sehr wenig.

Die Familien schicken ihre Jungs in den Kosovo, um eine Frau zu suchen.

Und pauschal gesprochen kann ich sagen, es hat sich eigentlich gar nichts geändert, man hat das Thema auch ein Stück weit wieder vergessen.

Wo sehen Sie denn das Grundproblem in der kosovo-albanischen Diaspora im Zusammenhang mit diesem Thema?

Es wird nicht offen darüber gesprochen, dass das nicht ein Unfall war, sondern dass es Gründe gibt, und dass diese Gründe unsere Kultur betreffen. Das heisst, die Frage: Was für eine Bedeutung hat eigentlich die Frau in der kosovo-albanischen Kultur oder auch in der Community? Ist die Frau wirklich frei, selbstbestimmt zu leben, zu entscheiden, wie sie leben will, welchen Partner sie haben will?

Es gibt sicher auch viele Ausnahmen. Aber leider ist es auch heute noch so, zum Beispiel, dass Familien, die in der Schweiz integriert sind, ihre Jungs in den Kosovo schicken, um dort eine Partnerin suchen. Und das ist für mich schon ein Zeichen, dass irgendetwas nicht stimmt.

Viele Kosovo-Albanerinnen und -Albaner leben schon lange in der Schweiz, wirken gut integriert. Ist das denn nicht so?

Insgesamt würde ich sagen, es ist besser geworden, aber die Entwicklung ist nicht stark genug. Das zeigt das Beispiel mit dem Heiraten. Und ich kenne auch Leute meiner Generation, die in der Schweiz quasi zwangsverheiratet wurden. Das geschieht unterschwellig: Es gehört sich, dass du als Frau früh heiratest, auf jeden Fall einen Albaner heiratest und Kinder kriegst. Wenn der Druck der Familie so stark ist, dann muss man das nicht einmal mehr aussprechen.

Wenn Frauen Selbstbestimmung fordern, sind die Kommentare oft unter der Gürtellinie.

Und wenn Frauen sich äussern, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung fordern, zum Beispiel online, dann sind die Rückmeldungen und Kommentare einfach ekelhaft, sexistisch, unter der Gürtellinie. Und da merkt man, dass da irgendetwas nicht in Ordnung ist, dass es solche Rückmeldungen gibt.

Das Gespräch führte Alex Moser.

Rendez-vous, 14.06.2024, 12:30 Uhr ; 

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