So einsam wie jetzt gerade stirbt der Löwe von Luzern nur selten. Mit geschätzten 1,4 Millionen Besucherinnen und Besuchern 2019 gehört er eigentlich zu den meist bewunderten Denkmälern der Schweiz, zu praktisch jeder Zeit tummelt sich eine Traube Touristinnen und Touristen vor der imposanten Felswand, bewehrt mit Kameras und Selfie-Sticks.
Bohren und Hämmern
Doch seit Anfang Monat ist nichts mehr zu sehen vom Löwendenkmal: Entlang der Felswand klettert ein Baugerüst empor, das ein wenig wirkt, als habe man den sterbenden Löwen hinter Gitter gesperrt. Seither verirrt sich auch kaum jemand mehr hierher.
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Bild 1 von 2. Alleine ist der Löwe von Luzern normalerweise nie – mit gut 1,4 Millionen Besuchenden pro Jahr gehört er zu den populärsten Denkmälern der Schweiz. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 2 von 2. Doch seit das Löwendenkmal hinter einem Baugerüst verschwunden ist, hat der Besucherstrom deutlich abgenommen. Bildquelle: Keystone/Urs FLüeler.
Was aber nicht heisst, dass es still ist um den Löwen. Im Gegenteil. Es hämmert und bohrt, auf dem Baugerüst sind Handwerker zu sehen. Das Denkmal wird saniert. Grund für die Sanierung ist Wasser, welches dem 10 Meter breiten Denkmal zusetzt.
Entwässerungsstollen hinter dem Löwen
Im roten Overall steigt Vitus Wey vom Gerüst. Er ist Steinbildhauer und leitet diese spezielle Baustelle. Er kennt den Löwen und den Fels (ein ehemaliger Steinbruch), in den das Denkmal vor gut 200 Jahren gehauen wurde.
Er sagt: «Man sieht die verschiedenen Gesteinsschichten in der Wand deutlich. Im Fels hat es zahlreiche Bänke und Klüfte und dazwischen fliesst Wasser. Viel Wasser. Die ganze Zeit.» Wasser, welches durch die Felswand drückt und mit der Zeit dem Sandstein schadet.
Dass das Wasser dem Löwen nicht gut bekommt, zeigte sich schon wenige Jahrzehnte nach der Einweihung des Denkmals. Bereits in den 1850er-Jahren wurde erstmals eine Restaurierung des Denkmals ins Auge gefasst. Ende des 19. Jahrhunderts liess die Stadt Luzern dann einen Stollen ins Gestein hinter dem Löwen treiben, 25 Meter lang, drei Meter hoch. Dieser Stollen soll das Wasser sammeln und stoppen: Wey: «Wenn das Wasser hier hinten reinläuft, ist das gut. Dann läuft es nicht vorne zum Löwen.»
Der Grundgedanke dieses Entwässerungssystem sei immer noch gut, so Wey. Doch in den letzten Jahren habe sich vorne an der Wand trotzdem immer mal wieder Wasser angestaut. «Das Hauptaugenmerk der aktuellen Sanierung liegt deshalb auf dem Entwässerungssystem». Die Arbeiter versuchen dem Wasser im Fels mehr Abflusswege freizulegen. Dazu wurde ein 3D-Scan des Felsens gemacht: Vitus Wey: «Wir sehen nun, wo die Kluften durchgehen und können das Wasser besser vom Löwen wegleiten.»
Das arme Vieh hat schon viel erlebt.
Der Löwe selbst werde bei dieser Sanierung – nach Möglichkeit – nicht angerührt. Das sei anspruchsvoll: So müsse zum Beispiel gleich hinter dem Löwen in der Nische der Mörtel rausgespitzt werden. Und auch die Inschrift unter dem Löwen werde aufgefrischt.
Sanierung kostet 70'000 Franken
Schaut man auf 200 Jahre Löwendenkmal, hat der Löwe bewegte Zeiten hinter sich. «Das arme Vieh hat schon viel erlebt. Unter anderem fiel im einmal eine Tatze ab. Die Vorderpranke musste mit neuen Steinstücken ersetzt und neu geformt werden.» Und im Jahr 2009 wurde einmal sogar ein Farbanschlag auf den Löwen verübt (siehe Bildergalerie).
Das Löwendenkmal: Publikumsmagnet seit 200 Jahren
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Bild 1 von 7. Mit Hammer und Meissel: Während gut zwei Jahren schlägt Bildhauer Lukas Ahorn den überlebensgrossen Löwen aus einer Felswand – im August 1821 wird das Denkmal eingeweiht. Der Entwurf stammt vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen. Bildquelle: ZHB Luzern Sondersammlung.
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Bild 2 von 7. Die Geburt einer Touristenstadt: Luzern hat bei Reisenden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen zweifelhaften Ruf – der Löwe aber gilt schnell als Attraktion, die man gesehen haben muss (Darstellung von ca. 1830). Bildquelle: ZHB Luzern Sondersammlung.
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Bild 3 von 7. Im Jahre 1872 fiel eine Tatze des Löwen ab. Auch damals hatte sich Wasser gesammelt und der Sandstein wurde brüchig. Bildquelle: SRF/Barbara Anderhub.
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Bild 4 von 7. Been there, done that: Die Besucherinnen und Besucher schiessen um 1908 zwar noch keine Selfies – doch als Bildhintergrund war der Luzerner Löwe damals schon gefragt. Bildquelle: ZHB Luzern Sondersammlung.
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Bild 5 von 7. Ohnehin muss der Löwe für so manches hinhalten. So soll er etwa Schweizer Soldaten Heldenmut einflössen – als Symbol für die Selbstlosigkeit der Schweizer Söldner, die 1792 für den französischen König starben, (Aufnahme von 1953). Bildquelle: ZHB Luzern Sondersammlung.
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Bild 6 von 7. Im Vorfeld der Abstimmung über die Armeeabschaffungs-Initiative von 1989 nutzen dann Armeegegner den Löwen, um ihre Botschaft publikumswirksam zu platzieren (links im Bild der spätere Zuger Nationalrat Jo Lang). Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 7. Opfer eines Farbanschlags: 2009 bewerfen Unbekannt den Löwen mit mehreren Farbbeuteln – das Denkmal und das darunter liegende Schriftfeld werden auf einer Fläche von mehreren Quadratmetern beschädigt, die Reinigung ist aufwändig. Bildquelle: Keystone/Sigi Tischler.
Die aktuelle Sanierung kostet rund 70'000 Franken und dauert bis in den Mai. Der verdeckte Löwe und der Teich ohne Wasser dürften für einige enttäuschte Gesichter bei Touristinnen und Touristen sorgen. Das – so Vitus Wey – müsse man in Kauf nehmen.
«Das Wichtigste ist, dass es dem Löwen auch in Zukunft gut geht.» Der Steinbildhauer hat den Löwen nämlich ins Herz geschlossen und ist damit - das zeigen die Millionen von Besucherinnen und Besucher - nicht allein.