In einem Vorstoss forderte Ständerat Thomas Minder mehr Transparenz in seinem Gremium: Alle Abstimmungen des Ständerats sollen, wie im Nationalrat, in Form einer Namenliste veröffentlicht werden.
Derzeit wird bloss bei Gesamt- und Schlussabstimmungen eine Liste publik gemacht. Der Grossteil des Abstimmungsverhaltens – etwa die umkämpften Abstimmungen zu den Detailberatungen – werden zwar live übertragen, aber nirgends zusammengefasst publik gemacht.
Trend zu mehr Transparenz
In den letzten Jahren wurden die Forderungen nach mehr Transparenz lauter. Denn die Bevölkerung sieht den Staat zunehmend als Dienstleister an. Dieser soll seine Aufgaben effizient zum Wohle der Allgemeinheit erfüllen. Und nun soll der Ständerat also alle Abstimmungen transparent machen. Doch ist das eine gute Idee?
Erinnern wir uns an die Einführung der elektronischen Abstimmung im Ständerat. Gegner monierten, mit mehr Transparenz werde der Druck auf die Ratsmitglieder grösser, auf Parteilinie abzustimmen. Und nicht mehr gemäss sachlicher Kriterien oder eigener Überzeugungen.
Zudem wird im Ständerat meist keine Show zugunsten der Medien veranstaltet, wie das im Nationalrat oft zu beobachten ist. In der kleinen Kammer gibt es das ungeschriebene Gesetz, sich nur dann zu Wort zu melden, wenn es angebracht ist. Haufenweise Einzelanträge oder das Nachbeten von Parteiparolen sind ebenfalls nicht gern gesehen.
Einfluss von Parteien nimmt zu
Es gilt als unbestritten, dass die zunehmende Polarisierung zu ineffizientem Politspektakel und zu Pattsituationen im Parlament führt. Einigungen in wichtigen Fragen werden schwieriger, etwa bei der Altersvorsorge oder in der Europafrage. Neueste Studien belegen denn auch, dass die Einführung der elektronischen Stimmabgabe im Ständerat zu einem veränderten Abstimmungsverhalten geführt hat.
Die Ratsmitglieder wichen weniger oft von den Vorgaben der eigenen Partei ab als zuvor. Dies zulasten der Kantonsinteressen. In der Debatte wurde die Befürchtung geäussert, der Ständerat gleiche sich dem Nationalrat an. Das ist nicht gewünscht. Der Ständerat soll sich sowohl in der Form und zuweilen auch im Inhalt vom Nationalrat unterscheiden.
Ist mehr Transparenz bei Abstimmungen im Ständerat also eine schlechte Idee? Trotzdem, nein.
Pferdefuss sind die bezahlten Mandate
Der Grund ist simpel: Organisationen und Verbände üben via bezahlte Mandate von Ständerätinnen und Ständeräten viel Einfluss auf die Gesetzgebung aus. Mit anderen Worten: Der Entscheid, den Ja- oder Nein-Knopf zu drücken, hängt nicht nur von den eigenen Überzeugungen, sondern auch stark von den Mandaten ab, die ein Ratsmitglied hat.
Darum haben die Wählerinnen und Wähler ein Anrecht, auf einfache Art und Weise zu erfahren, wer in umstrittenen Fragen wie abgestimmt hat. Die Transparenz ist deshalb höher zu gewichten als der erhöhte Druck von Parteien und der Druck zur medialen Show. Dies hat die Mehrheit der Ständeräte ebenfalls so gesehen.