Das Dublin-Asylabkommen macht es möglich: Die Schweiz kann Asylsuchende in andere europäische Staaten zurückführen, wenn sich die Asylsuchenden nachweislich zuvor im betreffenden Land aufgehalten haben.
Umgekehrt können europäische Staaten auf diesem Weg auch Asylsuchende in die Schweiz zurückschicken. Zehn Jahre lang ging es vor allem in eine Richtung: Die Schweiz konnte deutlich mehr Menschen ins Ausland überstellen, als sie selbst übernehmen musste.
Seit mehreren Monaten aber kündigt sich eine Trendwende an: Insbesondere Frankreich und Deutschland führen immer mehr Asylsuchende in die Schweiz zurück. Erstmals muss die Schweiz nun mehr Menschen wegen Dublin zurück übernehmen als umgekehrt. «Es ist tatsächlich so, dass es der erste Monat ist, in dem wir mehr Zustimmungen für Einreisen als für Ausreisen haben», bestätigt Daniel Bach vom Staatssekretariat für Migration SEM.
Die Zahlen für Oktober liegen nahe beieinander, dennoch bedeuten sie eine Trendwende: Knapp 300 Menschen kann die Schweiz in einen anderen Dublin-Staat zurückschicken, 330 muss sie vom Ausland übernehmen. Jahrelang hatte die Schweiz deutlich von Dublin profitiert, nun führt das Abkommen erstmals zu höheren statt tieferen Asylzahlen.
Deutschland ist aktiver geworden
Die Trendwende habe viel mit den Entwicklungen in Deutschland zu tun. «Es hat vor allem damit zu tun, dass in Deutschland die Zahlen der Asylgesuche zurückgegangen sind und dass Deutschland viel besser in der Lage ist, Gesuche schnell zu behandeln», so die Einschätzung von Bach. Dementsprechend stelle Deutschland nun mehr Dublin-Gesuche an die Schweiz.
Nach turbulenten Jahren mit hohen Asylzahlen haben die deutschen Behörden nun wieder mehr Zeit, um überhaupt Dublin-Gesuche an die Schweiz zu richten. Die Schweiz umgekehrt stellt weniger Dublin-Gesuche ans Ausland, weil hierzulande weniger Menschen um Asyl bitten als vor zwei oder drei Jahren. Beide Entwicklungen haben zu dieser Trendwende geführt.
Asylzahlen kaum voraussehbar
Ob das so bleibt und ob das Abkommen von nun an für längere Zeit die Asylzahlen erhöht statt wie bisher deutlich senkt, darüber wollen die Schweizer Behörden nicht spekulieren. Welche Routen Migrantinnen und Migranten künftig wählten, wie viele es nach Europa schafften und welche Zielländer am begehrtesten seien – all das spiele eine Rolle. Vorhersehen lasse sich dies nicht.