Früher Freitagabend auf dem Sechseläutenplatz. Die Zürcher und Zürcherinnen trinken sich in Stimmung. Eine Gruppe junger Frauen sitzt auf dem Boden im Kreis, in der Mitte stehen Weinflaschen, Wodka und Softgetränke. «Wir übertreiben es nicht mit dem Alkohol, es soll einfach lustig sein», sagt Giulia Kuoner. Zur Bestätigung brechen ihre Freundinnen in lautes Gelächter aus. «Vorgeglüht» wird aus Budgetgründen, so Kuoner weiter: «Ich kaufe sehr selten etwas im Club. Das ist einfach nicht zahlbar für uns.»
Rauschtrinken bei Frauen nimmt zu
Laut Bundesamt für Statistik trinken vier von fünf Schweizern Alkohol, 11 % greifen jeden Tag zur Flasche. Das ist halb so viel wie vor 25 Jahren. Aber wenn getrunken wird, dann öfter in rauen Mengen. Bei Frauen zwischen 15 und 24 Jahren hat sich die Zahl derer, die sich in den Rausch trinken, in den letzten zehn Jahren verdoppelt, aktuell liegt sie bei 24 %. Damit schliessen die Frauen zu den Männern auf.
Trinken bis zum Rausch, das war früher mal.
«Mit 18 kann Alkohol zum Problem werden»
Gleicher Abend, Ortswechsel. In der Härterei fand ein Konzert statt, vor der Tür formieren sich Grüppchen. Trinken bis zum Rausch, das war früher mal, sagt eine Partygängerin und zieht an ihrer Zigarette. «Das kann mit 18 zum Problem werden, wenn man jung ist und seine Grenzen testet.» Und was tun, wenn es soweit ist und man zu tief ins Glas geschaut hat? Viele junge Frauen betonen, wie wichtig es ist, mit guten Freunden unterwegs zu sein. Gegenseitig auf sich aufpassen, lautet das Credo. Und sich klar machen, wann Schluss ist.
Wer möglichst schnell, möglichst viel trinkt, will meist etwas vergessen.
Möglichst schnell und möglichst viel?
Rauschtrinken, das heisst laut BFS innerhalb weniger Stunden vier bis fünf Gläser alkoholischer Getränke zu sich zu nehmen. Während das Trinkverhalten von Frauen und Männern immer ähnlicher wird, unterscheiden sich die Motive. Frauen berichten häufiger, Alkohol zu trinken, um Probleme zu verdrängen. Partygängerin Lorena Matzinger sagt, wer möglichst schnell, möglichst viel trinke, wolle meist etwas vergessen. Ihre Freundin Luana nimmt einen Schluck aus der Bierdose und stimmt ihr zu.
Alkohol fast rund um die Uhr
23 Uhr, Langstrasse. Nachschub an hartem Alkohol gibt es hier fast die ganze Nacht. Wer nicht im Club trinken will oder es sich nicht leisten kann, kauft in den kleinen Getränke- und Tabakläden ein, die die Strasse säumen. Zum Beispiel bei Kalesten Paramalingam. Seine Familie betreibt einen Laden mitten in Zürichs beliebtestem Ausgehviertel. Der 29-Jährige steht bis spätnachts hinter der Kasse. Die Regeln sind klar: Wer die Kontrolle verliert, der bekommt nichts mehr. «Ich halte das so, wie meine Mutter. Die sagt auch ‹Nein, für dich ist jetzt wirklich fertig›.»
Noch hat heute keiner die Kontrolle verloren, auch wenn die Getränke literweise über die Theke gehen. Die Kunden sind angeheitert, prosten sich vor dem Laden gegenseitig zu. Zwei junge Frauen steuern auf das Regal mit den Shot-Fläschchen zu. Bevor die beiden zahlen, greifen sie aber schnell noch zu einer Flasche Wasser. Übertreiben wolle frau es ja nicht.