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Trotz Bundesgerichtsurteil Thurgauer Parlament verweigert Einbürgerung eines Syrers

Thurgau lehnt die Einbürgerung eines Syrers ab – trotz eines früheren Entscheids des Bundesgerichts zu seinen Gunsten.

Das Thurgauer Parlament hat heute die Einbürgerung eines Syrers mit 72 zu 42 Stimmen deutlich abgelehnt, obwohl das Bundesgericht zuvor in einem Verfahren zugunsten des Mannes entschieden hatte.

Der Syrer lebt seit 2006 in der Schweiz und stellte 2018 ein Einbürgerungsgesuch. Romanshorn TG hatte die Einbürgerung gestützt auf das Thurgauer Gesetz über das Kantons- und Gemeindebürgerrecht abgelehnt, wogegen sich der Mann bis vor Bundesgericht erfolgreich gewehrt hatte. Romanshorn hat ihn daraufhin eingebürgert.

Bild des Parlaments in Frauenfeld
Legende: Das Thurgauer Parlament hat heute über die Einbürgerung eines Syrers entschieden. Keystone/Gian Ehrenzeller

Ein Streitpunkt im Einbürgerungsverfahren waren offene Schulden des Mannes in Höhe von 11'500 Franken. Das Bundesgericht entschied jedoch bereits früher, dass diese Summe auf Gemeindeebene kein Hindernis für die Einbürgerung darstellt.

Das sagten die Richterinnen und Richter des Bundesgerichts

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An einer öffentlichen Beratung äusserten die Richterinnen und Richter Zweifel daran, ob der Kanton das Kriterium der «geordneten finanziellen Verhältnisse» überhaupt vorsehen darf. Das Bundesrecht kennt diese Bedingung nämlich nicht. Das Gericht liess die Frage schliesslich offen. Denn eine geringfügige Schuld von nur rund 11'500 Franken könne ohnehin nicht bedeuten, dass der Mann in «ungeordneten finanziellen Verhältnissen» lebe, eine solche Interpretation sei willkürlich und haltlos. Vielmehr müssten die Behörden eine Gesamtschau machen. Im konkreten Fall war unbestritten, dass der Mann gut integriert ist, Deutsch spricht, keine Betreibungen hat und keine Gefahr für die Sicherheit darstellt.

Trotz dieses Urteils der höchsten Schweizer Instanz von 2023 sprach sich die Justizkommission des Thurgauer Grossen Rates gegen die Einbürgerung aus.

Kontroverse Debatte: Fehlende Integration vs. Bundesgerichtsurteil

Parlamentarier Hermann Lei (SVP) betonte in der Diskussion um das Gesuch des Syrers, dass das Verfahren unabhängig vom Bundesgericht sei und kritisierte die finanziellen sowie integrativen Defizite des Antragstellers, wie mangelnde Sprachkenntnisse und ungenügende gesellschaftliche Integration.

Es ist egal, was das Bundesgericht entschieden hat. Hier sind Schulden offen und die müssen beglichen werden.
Autor: Jakob Auer SP-Parlamentarier und Mitglied der Justizkommission

Thomas Leu (FDP) hingegen sagte, dass sich eine Mehrheit der FDP-Fraktion für die Einbürgerung aussprach. Er respektierte das Bundesgerichtsurteil als letztinstanzlich und argumentierte, dass es nicht sinnvoll wäre, das Verfahren erneut zu beginnen, da keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien. Dabei betonte er auch die Verantwortung gegenüber der Staatskasse.

Das steht im Bericht der Justizkommission

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Nach Ansicht der Mehrheit der Justizkommission hat der Grosse Rat bei der Entscheidfindung seine eigenen Gesetze – welche vorliegend einer Einbürgerung entgegenstehen – zu befolgen. Die Verpflichtung gegenüber dem Bürger, die eigenen Gesetze einzuhalten, sei grösser als dem Urteil des Bundesgerichts nachzukommen. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Bundesgericht in einer nochmaligen Beurteilung seine frühere Entscheidung ändere.

Jakob Auer, SP-Parlamentarier und Mitglied der Justizkommission, sagte gegenüber Radio SRF, für ihn spiele das Bundesgerichtsurteil keine Rolle. «Es ist egal, was das Bundesgericht entschieden hat. Hier sind Schulden offen und die müssen beglichen werden, dann kann eingebürgert werden», so Auer. Seiner Meinung nach wäre es unfair gegenüber anderen, die sich an die Regeln halten.

Ich rechne nicht damit, dass der Entscheid des Grossen Rates vor dem Bundesgericht Bestand haben wird.
Autor: Grossrätin Grüne Brigitta Engeli-Sager

«Es ist eine Entscheidung, bei der man ambivalent sein kann. Es geht um die Rechtsstaatlichkeit und da hat das Bundesgericht entschieden», sagte Ratsmitglied Alexander Sigg (GLP) gegenüber Radio SRF. Ausschlaggebend war für ihn, dass der Gesuchsteller Schulden hatte, die er nicht begleichen konnte, aber in der Lage war, einen Anwalt zu bezahlen. «Das widerspricht den Grundsätzen, die wir hier haben», so Sigg weiter.

Die Grüne Brigitta Engeli-Sager stimmte für die Einbürgerung, vor allem mit Blick auf das Portemonnaie des Kantons. «Ich rechne nicht damit, dass der Entscheid des Grossen Rates vor dem Bundesgericht Bestand haben wird», sagte sie gegenüber Radio SRF. Das deutliche Nein sei für sie das Resultat des Thurgauer Stolzes: «Wir lassen uns nicht alles bieten.» Auch der Gedanke der Gerechtigkeit, dass alle Gesuchsteller gleich behandelt werden müssen, spielte eine Rolle.

Ein geschlossenes Nein der rechten Parteien

Das Thurgauer Parlament lehnte das Gesuch des Syrers schliesslich mit 42 zu 72 Stimmen ab, bei 8 Enthaltungen. Die SVP, die EDU und die Partei Aufrecht entschieden sich einstimmig dagegen, während die anderen Parteien gespalten waren.

Der Anwalt des syrischen Staatsangehörigen liess schon im Vorfeld verlauten, dass sie diesen Entscheid, der eine juristisch anfechtbare Verfügung ist, weiterziehen wollten.

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Regionaljournal Ostschweiz, 19.02.2025, 06:31 Uhr ; 

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