Das Wichtigste in Kürze
- Syrien hat 2014 aus der Schweiz über fünf Tonnen Isopropanpol erhalten. Das Lösungsmittel kann zur Herstellung des Giftgases Sarin verwendet werden.
- Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bewilligte den Export, da es den Verwendungszweck – für Pharmazeutika – als plausibel beurteilte.
- Laut Seco würde eine solche Ausfuhr nach den gemeldeten Chemiewaffeneinsätzen «ziemlich sicher unterbunden werden».
- Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats will abklären, ob die Gesetze eingehalten wurden oder ob allenfalls eine Gesetzeslücke besteht.
Die Substanz ist verantwortlich für den stechenden Geruch in Spitälern und Arztpraxen, da sie Bestandteil vieler Desinfektionsmittel ist: Isopropanol. In sehr hoher Konzentration ist die Flüssigkeit einer der beiden wesentlichen Bestandteile des Giftgases Sarin, das im August 2013 von der syrischen Armee eingesetzt worden ist. Die UNO und die internationale Organisation für das Verbot chemischer Waffen haben deshalb im Mai 2014 die gesamten Bestände von Isopropanol im Besitz des syrischen Staates vernichtet.
Eine fragwürdige Bewilligung
Nur gerade sechs Monate später, im November 2014, durfte eine Schweizer Firma 5120 Kilogramm der Flüssigkeit Isopropanol nach Syrien liefern. Und zwar mit dem offiziellen Segen des Staatssekretariates für Wirtschaft (Seco), wie Recherchen des Westschweizer Fernsehens RTS zeigen. Dies obschon die EU den Export von Isopropanol in einer Konzentration von über 95 Prozent seit Juli 2013 offiziell verbietet.
Die Schweiz habe die EU-Sanktionen gegenüber Syrien zwar vollständig übernommen, hält dazu das Seco auf Anfrage fest. Doch gelte das Exportverbot nur, wenn man davon ausgehen müsse, dass das fragliche Gut für ein Massenvernichtungswaffenprogramm verwendet werde.
Seco verweist auf Unterlagen und Endverbleibserklärung
«Im Fall der Exporte der Chemikalie nach Syrien im Jahr 2014 gab und gibt es keine Hinweise in diese Richtung», begründet das Seco schriftlich. Beim Empfänger habe es sich um eine der grössten Pharmafirmen in Syrien gehandelt, welche auch selber Pharmazeutika herstelle. Der Schweizer Lieferant habe zudem dem Seco die Ausfuhr vorschriftsgemäss gemeldet: «Technische Unterlagen lagen dem Seco vor, ebenso eine Endverbleibserklärung.»
SiK: Gesetzeslücke – oder Versehen?
Der Präsident der sicherheitspolitischen Kommission (SiK) des Ständerates, Josef Dittli, will nun abgeklärt haben, ob die schweizerische Gesetzgebung tatsächlich eingehalten wurde oder ob es hier allenfalls eine Gesetzeslücke gibt. «Es darf tatsächlich nicht sein, dass die Möglichkeit besteht, dass solche Produkte in die Hände solcher Leute fallen», erklärt der Urner FDP-Politiker.
Auch wenn es beim gelieferten Isopropanol aus der Schweiz um eine eher kleine Menge gehe, handle es sich doch um eine heikle Lieferung in einen Staat im Kriegszustand, findet der Waadtländer Olivier Français, auch er Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission. Bei der Seco-Bewilligung habe es sich wohl um ein Versehen gehandelt, das sich nicht wiederholen dürfe, meint der FDP-Ständerat.
Seco: Ausfuhr höchstwahrscheinlich nicht mehr möglich
Auch dem Seco selbst ist die Sache nachträglich nicht mehr ganz geheuer. Auf die Frage, ob man heute eine ähnliche Lieferung nach Syrien wieder genehmigen würde, schreibt das Staatssekretariat: «Nach den jüngsten Ereignissen über mutmassliche Chemiewaffeneinsätze und der massiven Verschlechterung der Lage der letzten Jahre würde eine solche Ausfuhr höchstwahrscheinlich unterbunden werden.»
Umso mehr dürfte die Enthüllung über die Lieferung eines Giftgas-Bestandteils nach Syrien ein politisches Nachspiel haben.