Es ist ein kleiner Aufschwung: Gut 3500 Schützinnen und Schützen haben dieses Jahr am Zürcher Knabenschiessen die Zielscheiben anvisiert. Das sind 400 mehr als im letzten Jahr, als die ausgestandene Corona-Pandemie die Teilnehmerzahl vermutlich drückte. Der Trend der letzten Jahre ist allerdings ein anderer: Die Zahl der Teilnehmenden am traditionellen Schiesswettbewerb im Albisgüetli nimmt ab.
Lagen im Jahr 2007 noch über 5100 Knaben und Mädchen im Schiessstand, waren es dieses Jahr rund 1600 Schützinnen und Schützen weniger. Das Schiesswetter sei dieses Jahr auch nicht ideal gewesen, erklärt Knabenschiessen-Pressesprecher Stefan Bachmann: «Wir haben festgestellt, dass bei diesem wunderschönen Wetter die Schiessscheiben relativ grell sind.» Und dies sei suboptimal für die Schützinnen und Schützen.
Man sei sich jedoch bewusst, dass die Teilnehmendenzahlen auch aus anderen Gründen zurückgegangen seien. Dennoch: Bachmann ist zuversichtlich, dass die Organisatoren «das wieder hinkriegen», wenn zum Beispiel auf den richtigen Kanälen Werbung gemacht werde.
Schützenvereine sehen kein Nachwuchsproblem
Immer weniger Schützinnen und Schützen im Albisgüetli. Hat der Schweizer Schiesssport ein Nachwuchsproblem? «Nein», sagt Renato Steffen, Präsident der Stadtschützen Luzern. Er steht den Jugendlichen am Knabenschiessen als Experte mit Rat und Tat zur Seite. «Wir haben sehr viele Junge, 20 Prozent unserer lizenzierten Schützen sind unter 20 Jahre alt.»
Der Schiesssport sei bei Knaben und Mädchen beliebt, sagt auch Raymond Chevalley von der Schützengesellschaft der Stadt Zürich. «Es ist einfach so, dass die Jungen heute extrem viele andere Angebote haben.» Und darunter würden die Schützenvereine leiden. «Die Jungschützenkurse sind zwar gut besucht, wir haben aber nicht mehr die Menge von früher.»
Die Schützenvereine sind sich jedoch einig, dass das Knabenschiessen positiven Einfluss hat. Mädchen und Knaben würden so zum ersten Mal, in sicherem Rahmen, mit dem Sport in Kontakt kommen.
Auch der Schützenkönig lag zum ersten Mal im Schiessstand
Erste Erfahrungen mit dem Schiessen – das hat am diesjährigen Knabenschiessen auch der neue Schützenkönig gemacht. Miro Scheiwiller aus Mönchaltorf im Zürcher Oberland hat am Donnerstag das Probeschiessen absolviert und nun als einziger das Maximum von 35 Punkten erzielt. Zuvor hatte der 13-Jährige noch nie an einem Schiesswettbewerb teilgenommen. Er sagt: «Ich habe mir bis heute noch nie überlegt, einem Schützenverein beizutreten.» Aber nun, nach diesem Erfolg, will er sich das Ganze nochmals durch den Kopf gehen lassen.
Scheiwiller reiht sich ein in eine lange Liste von Siegern am jährlichen Schiesswettbewerb. Verständlich, denn bis 1991 waren am Zürcher Knabenschiessen auch nur Knaben teilnahmeberechtigt. Seither wurden 24 Buben zum Schützenkönig gekürt, aber auch sieben Mädchen haben sich die Krone aufsetzen lassen. Im Schnitt feiert das Knabenschiessen also jedes vierte oder fünfte Jahr eine Siegerin.
«Der Mädchenanteil bei uns am Knabenschiessen liegt immer bei rund einem Drittel», sagt Bachmann. Gegenüber den Knaben seien sie noch klar in der Unterzahl. Dabei wäre das Potenzial hoch, sagt Renato Steffen von den Stadtschützen Luzern. «Mädchen sind im jugendlichen Alter stärker im Schiessen, Frauen kommen eher zum Erfolg als Männer.» Dies sehe man auch klar auf Stufe Nationalmannschaft.