Es laufen die letzten Tage der Saisonvorbereitung, danach gilt es das erste Mal ernst für die Mädchen des FC Sternenberg in der Nähe der Stadt Bern. Sie kicken im neuen Mädchen-Team. «Es ist mega cool», sagt die 9-jährige Lia. Zuerst war sie bei den Jungs, jetzt spielt sie in einer Mädchen-Mannschaft: «Es ist einfach etwas anderes. Bei den Jungs wurde ich oft unterschätzt.»
Ihre Kollegin Naira will vor allem Tore schiessen und Stürmerin werden. «Mir gefällt es besser nur mit Mädchen zu spielen», sagt die 12-Jährige. Der FC Sternenberg hatte bis anhin kein Mädchen-Team, doch ohne grosse Mühe fanden sich genug Mädchen für eine Truppe. Dass Mädchen Fussball spielen, ist laut Tatjana Haenni ein Trend. Sie ist Direktorin Frauenfussball beim Schweizerischen Fussballverband SFV.
Weshalb gibt es diesen Boom? «Das ist eine schwierige Frage», sagt Tatjana Haenni. Sie vermutet zwei Hauptgründe: Der erste Grund liege in den Köpfen. «Ich habe die Grundhaltung, dass jedes Kind genau gleich gerne Fussball spielen könnte. Egal ob Mädchen oder Junge. Bei Mädchen ab fünf Jahren kommen die Eltern oftmals nicht auf die Idee, sie in den Fussball-Verein zu schicken.» Das ändere sich langsam.
Im Angebot sieht sie den zweiten Grund: «Das ist genauso entscheidend. Wenn Mädchen früher Fussball spielen wollten, hiess es von den Vereinen, sie müssten mit Jungs im Team spielen.» Oder den Mädchen sei gesagt worden, dass keine freien Plätze, kein Trainer zur Verfügung stünden. «Separate Teams gab es nicht. Das Angebot besteht erst seit einigen Jahren und die Mädchen kommen fast in Scharen.»
Auch spielten Vorbilder wie die Spielerinnen der Schweizer Nationalmannschaft eine Rolle: Ramona Bachmann und Lia Wälti sind Persönlichkeiten, die für Aufmerksamkeit sorgen. Frauenfussball ist präsenter als früher.
Mit Mädchen, gegen Mädchen
Zwar stieg die Anzahl weiblicher Spielerinnen bereits in den letzten Jahren kontinuierlich an, doch besonders bei den ganz jungen Mädchen ist nun der Boom erkennbar. Die Kategorie FF12 für die Mädchen unter 12 Jahren gibt es erst seit einigen Jahren und immer mehr Vereine melden solche Teams an.
Früher spielten Mädchen in diesem Alter einfach bei den Jungs mit. Dies habe sich laut Haenni jedoch nur für die talentierteren Mädchen bewährt, aber nicht unbedingt für eine Mehrheit der jungen Fussballerinnen. «Wenn die Mädchen nicht mithalten konnten, wurden sie ignoriert, bekamen keinen Ball. Da wundert es wohl niemanden, wenn sie wieder aufhören oder gar nicht erst beginnen.» Studien haben gezeigt, dass Mädchen gerne mit Mädchen spielen. Gleichzeitig dürfen sie auch bei den Buben mitspielen, falls sie das wünschen.
Die Nachwuchs-Pyramide
Die Folgen des heutigen Booms im Mädchenfussball seien hoffentlich bald spürbar, hofft Haenni. Irgendwann brauche es eine Kategorie für Seniorinnen, also Frauen ab 30, die ebenfalls noch Clubfussball spielen wollen. «Soweit sind wir noch nicht – aber vielleicht bald.» Viele hörten mit 16 Jahren vor dem Aktivalter oder Mitte zwanzig wieder auf. «Frauen wechseln oft auf eine Sportart, die sie alleine betreiben und zeitlich flexibel gestalten können: Joggen, Fitness, Velofahren, Wandern.»
Jeder dritte Fussball-Verein in der Schweiz hat zurzeit mindestens ein Mädchen- oder Frauen-Team. «Das ist wenig», findet Tatjana Haenni. Wenn es im Umkreis von 20 Kilometern keinen Verein für ein Mädchen gäbe, dann kicke es wahrscheinlich nicht. «Es heisst immer, Fussball sei gesellschaftsrelevant, integrierend und verbinde – und da gehören die Mädchen einfach dazu.»