Überflutete Städte, ganze Landstriche unter Wasser und Menschen, die evakuiert werden müssen: Was sich eher nach Auslandsnachrichten anhört, spielte sich vor 25 Jahren auch in der Schweiz ab.
«In der Berner Matte fuhren die Leute mit Booten herum», sagt Christoph Hegg, Geschäftsführer der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), in einem neuen Bericht.
-
Bild 1 von 12. Bern, Matte. Venezianische Verhältnisse in Bern: Ob mit dem Ruderboot oder dem Kanu, im Mattequartier sei man zurzeit um alles froh, was schwimmt, schrieb der Fotograf zu diesem Bild. (15.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/JUERG MUELLER.
-
Bild 2 von 12. Bern, Matte. Es sind beträchtliche Schäden, die im Quartier angefallen sind. (Bild vom 13.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/JUERG MUELLER.
-
Bild 3 von 12. Bern, Matte. Nach dem Motto "Retten, was zu retten ist" trägt dieser Angestellte der Gärtnerei Marti Blumen aus dem überschwemmten Treibhaus. (18.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/JUERG MUELLER.
-
Bild 4 von 12. Bern, Matte. So sieht das Mattequartier bei den Überschwemmungen aus. (Bild vom 15.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/STR.
-
Bild 5 von 12. Thun BE. In der Nachbarstadt Thun ist die Schweizer Armee zu Hilfe geeilt: Soldaten legen Sandsack um Sandsack ans Ufer der Aare, um den Waisenhausplatz in Thun zu schützen, während ... (Bild vom 15.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/LUKAS LEHMANN.
-
Bild 6 von 12. Thun BE. ... sich dieser Junge auf der Schaukel nicht von seiner Passion abbringen lässt. (Bild vom 13.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/JUERG MUELLER.
-
Bild 7 von 12. Thun BE. Auch diese Kinder geniessen ihren neu entdeckten Spielplatz – auf dem überfluteten Parkplatz des Strandbades. (Bild vom 13.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/JUERG MUELLER.
-
Bild 8 von 12. Weesen SG. Wasser war aber auch ausserhalb des Kantons Bern über die Ufer getreten: so wie hier in Weesen am Walensee oder ... (Bild vom 14.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/ANDRE SPRINGER.
-
Bild 9 von 12. Rorschach SG. ... hier: Am Pfingstsonntag 1999 sah der Bahnhof in Rorschach nahe des Bodensees nämlich so aus. (23.05.99). Bildquelle: KEYSTONE/Michele Limina.
-
Bild 10 von 12. Steckborn TG. Nicht nur in Bern wird kräftig gepaddelt: Eine aussergewöhnliche Ruderpartie bescherte der über die Ufer getretene Bodensee diesen drei Kindern im Stadtkern von Steckborn. (22.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/Roy Yuval.
-
Bild 11 von 12. Grimentz Val d'Anniviers VS. Auch im Wallis wird das Schmelz- und Regenwasser teils etwas zu viel für die menschliche Infrastruktur. Bildquelle: KEYSTONE/Sacha Bittel.
-
Bild 12 von 12. Rheinfelden AG. Und so sah die Schiffsanlegestelle in Rheinfelden im Kanton Aargau während der Hochwasser aus. (Bild vom 12.05.1999). Bildquelle: KEYSTONE/Markus Stuecklin.
Menschen in der Stadt auf Booten? Ja. Im Berner Mattequartier mussten sogar hundert Menschen vor den Wassermassen in Sicherheit gebracht werden. Auch in Thun und Rheinfelden waren Teile der Stadt geflutet. Der Bodensee und der Vierwaldstättersee traten vielerorts über die Ufer.
«Die Hochwasser an Auffahrt und Pfingsten 1999 gehören bis heute zu den grossflächigsten und schadensreichsten Frühlingshochwassern in der Schweiz», schreibt das Institut. Die Überschwemmungen hätten Schäden in Höhe von 580 Millionen Franken verursacht, die meisten davon im Kanton Bern. Betroffen sei das gesamte Mittelland gewesen.
«Lawinenwinter» und viel zu viel Regen
Wie es dazu gekommen ist, beschreibt das WSL so: Alles beginnt im Winter 1999: Zwischen Januar und März schneit es überdurchschnittlich viel. Die hohe Schneedecke führt in den Bergen zu zahlreichen Lawinen.
Dann, Ende März 1999, taut der Schnee in tieferen Lagen ab. Hinzu kommt: Im April prasselt stellenweise doppelt so viel Regen nieder wie normal. Weil es allmählich wärmer wird, beginnt Ende April auch der Schnee in den Bergen zu schmelzen. Die Böden sind aber bereits gesättigt. Ein grosser Teil des Schmelzwassers fliesst in die Seen der Voralpen. Noch fangen sie die Wassermassen auf.
Doch Mitte Mai, zwei Tage vor Auffahrt, beginnt es entlang des Alpennordrandes tagelang zu regnen. Die Auffangkapazitäten reichen nicht mehr aus. An Auffahrt laufen Seen und Flüsse über und überschwemmen weite Teile des Siedlungsgebiets. Wenige Tage später, an Pfingsten, regnet es erneut. Die Gewässer treten wieder über die Ufer.
Die wassergesättigten Böden, die Schneeschmelze und die Regenfälle hätten zu den grossflächigen Überschwemmungen geführt, heisst es im WSL-Bericht. Dies habe vor allem gezeigt, dass der dämpfenden Wirkung der Seen Grenzen gesetzt seien.
Die Lehre aus den Hochwassern
Nach den Überschwemmungen beauftragte der Bund das WSL, die Ereignisse zu analysieren. Die Erkenntnisse daraus und die Erfahrungen anderer Hochwasser trügen heute, zusammen mit Bundesämtern, dazu bei, Schäden mittels Vorhersagen zu begrenzen, heisst es.
Seither wurden diverse Massnahmen umgesetzt: der Aufbau von Warnung und Alarmierung bei Naturgefahren durch Bund und Kantone, der Bau des Entlastungsstollens am Thunersee und Verbesserungen bei der Seeregulierung.
«Eine weitere Erkenntnis für uns war zu sehen, wie wichtig eine gute schneehydrologische Einschätzung ist», sagt Manfred Stähli, der heutige Leiter der Forschungseinheit Gebirgshydrologie und Massenbewegungen am WSL. «Für uns war dieses Ereignis eine grosse Motivation, die Schneewassermenge systematisch über die ganze Schweiz zu berechnen.»
Vorhersagen, wie viel Schmelzwasser insgesamt zu erwarten ist, wären 1999 wertvolle Informationen gewesen. Verhindert hätten sie das Hochwasser wohl nicht, sagt WSL-Forscher Tobias Jonas, da die Wetterbedingungen trotzdem eingetreten wären. «Aber man hätte vielleicht mehr Zeit gehabt, sich auf das Ereignis vorzubereiten», so Jonas.