Ende November haben die Stimmberechtigten Ja gesagt zu neuen Regeln zur Observation von Sozialversicherten. Während des Abstimmungskampfes tauchten Videos einer Observation eines IV-Bezügers auf. Sie zeigen, dass IV-Bezüger trotz angeblichen Beschwerden offensichtlich einer täglichen Arbeit nachgehen können.
Solche Videos wurde Medien zugespielt, die darüber berichteten und sie auch veröffentlichten, so auch SRF:
Bei einigen Videos war der Absender bekannt: eine Amtsperson, nämlich Andreas Dummermuth, Direktor der IV-Stelle Schwyz und Präsident der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen.
Was darf eine Amtsstelle mit Behördeninformation?
Nach der Berichterstattung entbrannte eine Debatte, ob solches Videomaterial von einer offiziellen Stelle weitergegeben werden darf oder nicht.
Heute hat der Bundesrat im Parlament eine entsprechende Frage beantwortet:
Fragestunde: Frage von Silvia Schenker (SP/BS)
Der Bundesrat schreibt: «Die kantonalen IV-Stellen haben einen Informationsauftrag (…). Ob die Weitergabe des Informationsmaterials durch eine IV-Stelle diesem Auftrag entspricht, ist auch aus Sicht des Bundesrates politisch fraglich. Herr Dummermuth hat auf eigene Initiative gehandelt. Der Bundesrat erachtet das Verhalten grundsätzlich als problematisch. Die Beurteilung, ob er damit Rechtsverletzungen beging, ist jedoch Sache der Gerichte.»
Den Ball ins Rollen gebracht hat Nationalrätin Silvia Schenker (SP/BS), einer Gegnerin der stärkeren Überwachung durch Sozialversicherungs-Detektive. Sie findet das Verhalten von Andreas Dummermuth nicht akzeptabel: «Er hat eine Funktion in einer IV-Stelle. Er hat mit diesen Videos versucht, die Abstimmung zu beeinflussen. Das war weit mehr als einfach Öffentlichkeitsarbeit. Es war ja völlig unbestritten, dass es Missbrauchsfälle gibt.»
Leitplanken für Behörden
Was eine Behörde weitergeben darf und was nicht sei stets eine rechtliche Abwägung, sagt Thomas Gächter, Professor für Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich. Es gebe rechtliche Leitplanken, innerhalb derer sich die Behörden bewegen müssten. Die Information müsse sachlich und zurückhaltend sein.
«Videomaterial, das durchaus auch als suggestiv verstanden werden kann, bringt keinen Mehrwert, eine Observation auch noch zu zeigen, wenn man sie schon beschrieben hat und wenn das Material auch schon früher gezeigt worden ist. Das ist von mir aus gesehen eher eine Überschreitung dieser Schranke», meint Gächter.
Problematik ist erkannt
Die deutliche Antwort des Bundesrates ist für Gächter aber auch ein Zeichen: Denn zweimal komme das Wort «problematisch» vor und einmal «gerichtliche Überprüfung». «Das heisst, der Bundesrat ist offensichtlich nicht einverstanden mit dem Vorgehen von Herrn Dummermuth und wünscht sich geradezu eine gerichtliche Beurteilung dieser Umstände.»
Andreas Dummermuth wollte gegenüber SRF vor der Kamera nicht Stellung nehmen. Er hält aber schriftlich fest:
«Ich kann die Begründung des Bundesrates nachvollziehen. Es ist tatsächlich problematisch, denn es besteht ein dauerndes Spannungsfeld zwischen dem Öffentlichkeits-Prinzip und dem Persönlichkeitsschutz. Ich würde allerdings wieder so handeln, denn wir haben die Öffentlichkeit informiert und alle Persönlichkeitsrechte gewahrt.»
Medien sollen der Meinungsbildung dienen
Auch das Medienunternehmen CH Media, zu welchem auch die «Aargauer Zeitung» gehört, hat Videos von Andreas Dummermuth veröffentlicht. Für Chefredaktor Patrick Müller ist klar: Das war wichtig für die Meinungsbildung der Stimmbevölkerung.
«Ja, ich glaube, ein Medium sollte nicht unterdrücken, sondern sollte zeigen, was es gibt, damit sich der Bürger eine eigene Meinung bilden kann.»
Der Bundesrat hat lediglich eine Stellungnahme zu den Observations-Videos im Spannungsfeld zwischen Informationsauftrag der Behörden und dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen abgegeben. Ob die Antwort des Bundesrats ein juristisches Nachspiel haben wird ist aber offen.