Das Wichtigste in Kürze
- Der Ständerat debattiert am Mittwoch über das «Importverbot für tierquälerisch erzeugte Produkte». Von diesem Verbot betroffen wäre auch die Foie Gras, die Stopfleber.
- Der Nationalrat hat dem Vorstoss im Sommer zugestimmt – Widerstand kam aus der Westschweiz.
- Denn in der Romandie wird die Enten- oder Gänseleber weniger als Qualprodukt, sondern vielmehr als Delikatesse wahrgenommen.
Stand reiht sich an Stand. Der Weihnachtsmarkt könnte irgendwo in der Schweiz sein. Zumindest auf den ersten Blick. Denn in der Deutschschweiz wäre es kaum vorstellbar, dass Foie Gras feil geboten wird. Vor dem Stand von Pierre-André herrscht reger Betrieb. Er verkauft seit über 20 Jahren Foie Gras. Sein Sortiment ist vielfältig, wie er erklärt: «Wir bieten Foie Gras speziell für den Apéro an, Foie Gras am Stück, als Terrine, mit Artischocken oder Marroni...»
Die verschiedenen Spezialitäten sind schön verpackt, denn in der Romandie ist Foie Gras ein beliebtes Weihnachtsgeschenk. Man kann davon aber auch gleich am Stand kosten: als Scheibe geschnitten auf geröstetem Weissbrot.
Herrlich schmecke es, sagt eine Frau, das gehöre für sie zum Weihnachtsmarkt von Lausanne, und ein junger Mann pflichtet ihr bei, ein Apéro mit Foie Gras sei wunderbar.
Schlechtes Gewissen, aber nicht wegen der Tiere
Hat denn niemand ein schlechtes Gewissen? Doch sagt ein Mann, aber die Antwort verblüfft. Denn das schlechte Gewissen hat er nicht etwa wegen dem umstrittenen Stopfen der Gänse und Enten, sondern: «Ich esse Foie Gras gerne, vielleicht müsste ich sagen leider esse ich sie gerne. Denn sie ist wirklich teuer und nicht gesund.»
Wie der Name Foie Gras sagt, hat die Leber einen sehr hohen Fettgehalt, und ist unnatürlich gross. Die Tiere werden überfüttert. Tauchen da nicht abschreckende Bilder auf von Gänsen, die mit Rohren und Trichtern zwangsernährt, eben gestopft werden? Nein, sagt ein anderer Mann, den Appetit lasse er sich nicht verderben. Er ist überzeugt:
Schlussendlich ist es wichtig, dass die Tiere richtig behandelt werden. Das gehört dazu, wenn man Fleisch isst. Wir müssen sicherstellen, dass die Tiere nicht leiden.
Bei der Frage, ob die Tiere auch bei guter Behandlung leiden oder nicht, scheiden sich die Geister. Geflügel hat eine genetische Veranlagung sich zu überfressen. Das beobachteten bereits die alten Ägypter: Im Frühling frass Wildgeflügel gierig, um für den langen Rückflug nach Europa gerüstet zu sein; fing man die Tiere kurz vor dem Abflug, galt die Leber als besondere Delikatesse.
Auch der römische Historiker Plinius der Ältere erwähnte die Stopfleber als Spezialität. Juden sollen die Stopfmast im 16. Jahrhundert in Frankreich eingeführt haben und von da schwappte die Tradition in die Westschweiz über.
Der «Foie-Gras-Graben» existiert
Selbstverständlich gibt es auch Widerstand. Besonders der Grossverteiler Migros hört immer Mal wieder Kritik, da Foie Gras in den Westschweizer Kantonen im Sortiment ist, während Coop Foie Gras vor 15 Jahren in der ganzen Schweiz aus den Gestellen verbannte.
Doch ein generelles Einfuhrverbot wäre für viele Romands schlimm, denn Foie Gras gehöre einfach zur Weihnachtstradition, betonen gleich mehrere Marktbesucher. Eine Tradition, die wir so in der Deutschschweiz nicht kennen. «Macht nichts», sagt Verkäufer Pierre-André: «Aber man soll frei entscheiden können, ob man Foie Gras essen will oder nicht.» Es gibt ihn also wirklich, den «Foie-Gras-Graben» in der Schweiz.