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Umstrittene Einbürgerung «Buchs ist überall»

Der Fall der gescheiterten Einbürgerung einer jungen Türkin im Kanton Aargau gab sogar international zu reden. Ihr wurde unter anderem vorgeworfen, über die Abfallentsorgung, Einkaufsmöglichkeiten und andere Angebote der Gemeinde nicht viel zu wissen, was auf eine mangelhafte Integration im Dorf hindeute.

Auch in der Gemeinde Buchs hat man nun eingesehen, dass es keinen Grund gibt, dieser jungen Frau den roten Pass zu verweigern. Die junge Frau wurde nun eingebürgert.

Einwohnerratspräsident Martin Gisy verteidigt jedoch die Kommission, die damals das umstrittene Gespräch führte. «Wir haben in den letzten acht Jahren 156 Einbürgerungsgesuche behandelt. Bei einem ist offenbar ein Fehler passiert. Ich bin sehr froh, dass wir ihn korrigieren konnten.»

Wir haben in den letzten acht Jahren 156 Einbürgerungsgesuche behandelt. Bei einem ist offenbar ein Fehler passiert.
Autor: Martin Gisy Einwohnerratspräsident Buchs

Man habe die Frau wegen ihrer Schüchternheit einfach zu wenig gut kennenlernen können, heisst es nun. Gemeindepräsident Urs Affolter ist froh, dass das Gesuch der 25-jährigen im zweiten Anlauf nun doch noch gutgeheissen wurde, auch um weiteren Imageschaden von der Gemeinde abzuwenden. «Dem Image war es kurzfristig nicht zuträglich. Aber das wird rasch wieder vergessen sein.»

«Buchs ist überall»

Doch vergessen und erledigt ist die Sache nicht ganz. Denn die Fragen, die die Einbürgerungskommission im vorliegenden Fall gestellt hat, kommen auch andernorts in Einbürgerungsverfahren zum Zug.

«Buchs ist überall», sagte die Aargauer Integrationsexpertin Lelia Hunziker im Juni, nachdem der Fall publik wurde. Denn viele Fragen in Einbürgerungsgesprächen seien nicht sinnvoll. «Die Welt hat sich auch im Kanton Aargau verändert. Wenn die Antwort auf die Frage nach der Entsorgung des Altöls lautet: ‹Ich google›. Dann ist das nicht falsch.»

Wenn die Antwort auf die Frage nach der Entsorgung des Altöls lautet:‹Ich google›, ist das nicht falsch.
Autor: Lelia Hunziker Integrationsexpertin

Auch in Buchs hat das Gemeindeparlament dies offenbar eingesehen. Man kann eine gute Schweizerin sein, auch wenn man den Dorfladen nicht kennt.

Georg Kreis spricht von Mentalität des «gnädigen Gunsterweisens»

Über die Schweizer Mentalität und deren Nationalsport
Georg Kreis war jahrelang Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. Er sagt zu dem Vorfall in Buchs: «Bei Einbürgerungen ist die Mentalität in der Schweiz noch immer das grösste Problem. Es ist eine Mentalität des gnädigen Gunsterweisens und sie geht davon aus, dass kein Rechtsanspruch besteht. Man kann – wie im Falle eines Geschenks – selber entscheiden, was die andere Seite zu Gute hat.» Dabei werde übersehen, dass die Gegenseite auch etwas gebe, vielleicht der Gesellschaft sogar etwas schenke. «Es sind Menschen, die hier partizipieren wollen, nicht nur mit Steuergeldern.» Das verdiene grundsätzlich eine positive Beurteilung in der Ausgangslange.
Kreis hat das Protokoll der Befragung der jungen Türkin gelesen. «Wenn man auf die Frage, was eine typische Schweizer Sportart sei, mit Skifahren antwortet, besteht man den Test nicht.» Das findet er fragwürdig. «Ich bin überzeugt, dass das in den 1970-Jahren anders gewesen wäre. Da war Skifahren der Nationalsport.» Das aktuelle Beispiel zeige, dass die Befragenden den Befragten gegenüber grundsätzlich eine positive Haltung einnehmen sollten. Es brauche eine andere Grundeinstellung und mehr Selbstreflexion, und nicht nur die reine Examensmentalität.»

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