Ein Mann aus dem Kosovo kommt für eine Krebsbehandlung nach Zürich. Auf dem Weg zum Bahnhof wird er von der Polizei angehalten und auf den Posten mitgenommen.
Dieses Beispiel erzählt Claudia Kaufmann, Leiterin der Ombudsstelle der Stadt Zürich. «Auf dem Posten muss er sich nackt ausziehen, weil er ja Drogen auf sich tragen könnte», so Kaufmann.
Danach bringen die Polizisten den Mann in die Wohnung, in der er während seines Aufenthalts in der Schweiz untergebracht ist. Die Nachbarn sehen das und die Person, die in der Wohnung lebt, wird damit konfrontiert. «Für die Betroffenen sind dies jeweils sehr schwerwiegende Fälle», erläutert die Juristin.
Kaufmann befasst sich seit über zehn Jahren mit diskriminierenden Kontrollen durch die Polizei. Sie kommt zum Schluss, dass es «immer wieder Vorkommnisse gibt, die ‹Racial› und ‹Ethnic Profiling› bedeuten». Deshalb müsse man sich auch in der Schweiz mit diesem Phänomen auseinandersetzen.
Polizei weist Vorwürfe zurück
«Wir haben kein ‹Racial Profiling›-Problem», sagt dagegen Max Hofmann vom Verband Schweizerischer Polizeibeamten. Die Polizei kontrolliere nicht einzelne Personen oder ethnische Gruppen, betont er. «Sie bekämpft kriminelle Auswüchse.»
Gleicher Meinung ist Stefan Blättler, der die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten präsidiert. Er sagt, die Polizeikorps würden in der Aus- und Weiterbildung auf die Problematik des «Racial Profiling» sensibilisiert.
Die Hautfarbe kann sehr wohl eines von mehreren Kriterien sein.
Blättler räumt aber ein, dass Kontrollen tatsächlich den Anschein von «Racial Profiling» erwecken könnten. So stünden etwa im Drogenhandel eher Männer aus Westafrika im Fokus, was dazu führe, dass sie auch von der Polizei kontrolliert würden. «Kontrollen von solchen Personen aus rein äusserlichen Gründen suchen wir selbstverständlich nicht – aber die Hautfarbe kann sehr wohl eines der für eine erfolgreiche Fahndung notwendigen Kriterien sein.»
Das Beispiel des Polizeikommandanten zeigt die Gratwanderung der Polizei: Führt sie Kontrollen durch, kann der Vorwurf kommen, sie tue das in diskriminierender Weise. Laut Blättler kommt das eigentlich nicht vor, weil es mehr als nur ein Kriterium braucht, das erfüllt sein muss, damit eine Kontrolle erfolgen kann. Die Hautfarbe als alleiniges Kriterium wäre auch gesetzlich nicht zulässig. Zudem verweist er darauf, dass es deswegen bisher keine Verurteilungen gegeben habe.
Es gibt überall Probleme.
In die Diskussion schalten sich nun auch internationale Gremien ein: So wünscht sich etwa der UNO-Ausschuss für die Beseitigung von Rassendiskriminierung weitere Massnahmen gegen diskriminierende Kontrollen in der Schweiz. Es brauche mehr Ombudsstellen, griffigere Gesetze und vor allem eine Statistik, die zeigt, welche Gruppen wo weshalb angehalten und kontrolliert werden, heisst es dort.
Denn keine Verurteilungen oder bloss wenige Beschwerden würden nicht bedeuten, dass es keine Probleme mit «Racial Profiling» gebe, sagt Marc Bossuyt. Der belgische Rechtsexperte ist Mitglied des UNO-Ausschusses. So würden sich viele Leute gar nicht getrauen, eine Beschwerde einzureichen oder sie wüssten nicht, dass diese Möglichkeit überhaupt bestehe. «Es gibt überall Probleme», so sein Fazit.
Die Schweiz hat jetzt ein Jahr Zeit, um der UNO aufzuzeigen, wie sie diskriminierende Polizeikontrollen künftig verhindern will.