Peter Stelzer arbeitet seit 20 Jahren als Detektiv. Er ist Geschäftsführer der Privatdetektei Ryffel in Zürich. «Es ist ein sehr abwechslungsreicher und spannender Job», betont Stelzer. «Man ist viel unterwegs und lernt neue Orte sowie viele Menschen kennen.» Was einen guten Privatdetektiv ausmacht: Beobachtungsgabe, Sitzleder, Präzision, die Fähigkeit, sich überall bewegen zu können und gut Auto zu fahren.
Die Privatdetektei Ryffel arbeitet für Privatpersonen, Anwaltskanzleien, grosse Firmen, aber auch für die öffentliche Hand. Also für Gemeinden oder Städte, die Sozialhilfeempfänger überwachen lassen, weil sie Missbrauch vermuten.
Sozialmissbräuchen auf der Spur
«Eine Observation startet irgendwo in der Schweiz», erklärt Stelzer. «Wir sitzen vor Ort in einem Auto, und ab dann bestimmt die Zielperson das Programm. Wir machen das, was die Zielperson macht und notieren, wen sie trifft und so weiter.» Die Detektive haben eine kleine Videokamera dabei, machen Aufnahmen und Notizen. Am Schluss verfassen sie einen Bericht und liefern diesen ab.
Auch GPS-Tracker nutzten die Mitarbeiter von Peter Stelzer. «Wir verwenden sie nur während der Observation, damit wir das Auto der Zielperson nicht verlieren.» Da man das Gerät rückstandfrei wieder entfernen könne, handle es sich nicht um Sachbeschädigung. «Es gibt zurzeit kein Gesetz, das den Einsatz von GPS verbietet.»
Wir tun etwas Gutes. Es geht um Steuergelder.
Überwachungen als Rückgrat des Sozialstaats
Hat er kein ungutes Gefühl, wenn er das Privatleben bedürftiger Leute ausspioniert? «Wir tun etwas Gutes», kontert Stelzer. «Es geht um Steuergelder. Wenn es um die Existenz geht, werden viele Menschen kreativ. Wenn es keine soziale Kontrolle gibt, dann steigen die Kosten in diesem Bereich immer weiter.»
Der langjährige Sozialdetektiv kann das auch mit Beispielen belegen: dem Sozialhilfeempfänger, der ein eigenes Flugzeug besass und dieses vor den Behörden versteckt hielt, oder der Familie, die Sozialhilfe bezog, aber mit dem Verkauf von Velos mehrere zehntausend Franken nebenher verdiente.
Wir schützen jene Personen, die Sozialleistungen wirklich brauchen.
Es gehe keinesfalls darum, Menschen zu kriminalisieren, argumentiert Stelzer. Das Gegenteil sei der Fall. «Wir schützen jene Personen, die Sozialleistungen wirklich brauchen.»
Abruptes Ende für Überwachungen
Seit 2016 ist für Peter Stelzer jedoch ein gesamter Geschäftsbereich zusammengebrochen. Überwachungen im Sozialbereich sind nicht mehr erlaubt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg entschied damals, dass es in der Schweiz für derartige Überwachungen keine ausreichende gesetzliche Grundlage gebe. Das bisherige Gesetz sei zu vage.
Um diese Lücke zu schliessen, erliess das Parlament im März ein neues Gesetz. Dieses besagt, dass Detektive im Auftrag von Sozialversicherungen Personen überwachen dürfen, wenn ein Verdacht auf Missbrauch besteht – mit Ton- und Bildaufnahmen, aber auch – sofern eine richterliche Erlaubnis vorliegt – mit GPS-Trackern und mit Drohnen. Von der neuen Regelung betroffen wären nicht nur die Leistungen der IV, sondern auch die der Unfall-, der Kranken- und der Arbeitslosenversicherung. Die Sozialhilfe ist hingegen nicht Sache des Bundes, sie wird in den Kantonen geregelt und ist deshalb von der aktuellen Gesetzesvorlage nicht betroffen.
Es kann doch nicht sein, dass wir auf die Schwächsten herab spucken.
Alle unter Generalverdacht?
«Das ist ein Lobbyisten-Gesetz!», schimpft der Anwalt Philip Stolkin über das neue Gesetz. Die Versicherungen hätten die Parlamentarier derart beeinflusst, dass sie das Gesetz im Eiltempo durchwinkten. «Es kann doch nicht sein, dass wir auf die Schwächsten herab spucken. Menschen, die Versicherungsleistungen brauchen, sind sowieso schon am Ende. Es ist feige, sie zu überwachen.»
Erst mal ins Wohnzimmer rein filmen und dann erst feststellen, dass gar kein Missbrauch besteht, das geht doch nicht!
Zusammen mit der Schriftstellerin Sibylle Berg und dem Jungpolitiker Dimitri Rougy will Stolkin das Referendum gegen das neue Gesetz ergreifen und sammelt Unterschriften.
Missbräuche aufzudecken, sei nicht Sache von Privatdetektiven, sondern der Behörden. «Jeder Einzelne von uns wird irgendeinmal Versicherungsgelder beanspruchen müssen. Jeder muss also damit rechnen, einmal überwacht zu werden», warnt Stolkin. Alle stünden unter Generalverdacht. «Erst mal ins Wohnzimmer rein filmen und dann erst feststellen, dass gar kein Missbrauch besteht, das geht doch nicht!»
Der Detektiv Peter Stelzer widerspricht. Von einer flächendeckenden Überwachung könne nicht die Rede sein. «Eine Observation ist das letztmögliche Mittel. Es muss ein klarer Verdacht bestehen, erst dann ermitteln wir.»
Geld sparen durch Überwachung
Für die Versicherungen geht es um viel Geld. 2016, als Überwachungen noch erlaubt waren, schaute die IV in 1860 Fällen genauer hin, weil Verdacht auf Missbrauch bestand. Der Verdacht bestätigte sich in 650 Fällen, und die Versicherung sparte 178 Millionen Franken. Für die betroffenen Personen kann eine solche Observation jedoch traumatisierend sein.
Wie die Arbeit von Privatdetektiven in der Schweiz künftig geregelt sein wird, darüber wird voraussichtlich das Volk abstimmen können. Wenn das Referendum zustande kommt, gelangt die Vorlage frühestens im November zur Abstimmung. Scheitert das Referendum, so tritt das neue Gesetz im Laufe des nächsten Jahres in Kraft.