Methadon, der Krebskiller. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich diese Kunde, seit das deutsche Fernsehen im April über angebliche Heilungserfolge berichtet hat. Bei Roger von Moos, dem Chef-Onkologen am Kantonsspital Graubünden, fragt jeder dritte Patient nach dem Stoff. Von Moos sagt: «Ich habe auch von meinen Kollegen in anderen Kliniken und in der Praxis gehört, dass hier ein eigentlicher Run auf diese Substanz stattgefunden hat, nachdem man sehr viel versprochen hat.»
Wir haben die Versuche mehrfach wiederholt und sind zum Schluss gekommen, dass Methadon diese Zellen zerstören kann.
Methadon soll die Chemotherapie effizienter machen und so ein längeres Überleben ermöglichen. Das verspricht Claudia Friesen von der Universität Ulm. Die Chemikerin entdeckte vor zehn Jahren zufällig, dass im Labor gezüchtete Leukämie-Zellen zugrunde gingen, wenn sie mit Methadon in Kontakt kamen.
«Damals dachte ich, es sei ein Fehler. Wir haben die Versuche mehrfach wiederholt und sind zum Schluss gekommen, dass Methadon diese Zellen zerstören kann», sagt Friesen. So oft wie sie den Versuch wiederholt habe, könne man gar keine Fehler machen.
Umstrittene Methode
Friesen ging noch weiter: Sie dokumentierte die Fälle Dutzender Krebspatienten, bei denen Metastasen verschwunden und Tumoren stark geschrumpft waren. Angeblich dank Methadon. Für diesen Teil ihrer Arbeit wird die Chemikerin stark kritisiert.
Der Bündner Chef-Onkologe Roger von Moos ist skeptisch. Er halte es für höchst unseriös, «anekdotisch Einzelfälle heranzuziehen und zu behaupten, die Wirksamkeit sei aufgrund von Methadon zustande gekommen». Insbesondere, da die dokumentierten Einzelfälle alle eine Chemotherapie erhalten hätten. Von Moos: «Dann noch einen Schritt weiterzugehen und zu sagen, das ist verallgemeinerbar, halte ich für höchst unseriös.»
Die Pharma möchte ja ein möglichst wirksames Medikament entwickeln, mit dem sie auch viel Geld verdienen kann.
Wieso die Pharmaindustrie kein Interesse an einer Studie hat
Auch die Krebsliga Schweiz bezweifelt in einer Stellungnahme, dass Methadon beim Überleben von Krebs helfe. Man warne vor unrealistischen Erwartungen. Um eine Wirksamkeit zu belegen, brauche es klinische Studien, sagt Rolf Marti von der Forschungsförderung der Krebsliga.
Für die Pharmaindustrie lohne sich dieser Aufwand nicht, sagt Marti: «Die Pharma möchte ja ein möglichst wirksames Medikament entwickeln, mit dem sie auch viel Geld verdienen kann. Das ist natürlich auch abhängig vom Absatzmarkt.» Der Basler Pharmakonzern Hoffmann-La Roche hat das Patent auf Methadon 1977 eingetragen. Inzwischen ist es abgelaufen und die Substanz ist sehr billig zu haben. Für eine Wirksamkeitsstudie müssten – wenn überhaupt – öffentliche Geldgeber in die Bresche springen, sagt Marti. Geldgeber wie eben die Krebsliga Schweiz.
Mindestens eine Million Franken würde es kosten, die krebshemmende Wirkung von Methadon zu beweisen. Der Wille dazu scheint vorhanden – der Druck der Patienten ist es auf jeden Fall.