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Nationalrat diskutiert über Umweltverantwortungsinitiative
Aus Echo der Zeit vom 03.06.2024. Bild: Keystone/Peter Schneider
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Umweltverantwortungsinitiative Der Planet im Gleichgewicht oder die Wirtschaft im Korsett?

Der Nationalrat diskutiert erstmals über die Umweltverantwortungs-Initiative der Jungen Grünen. Sie verlangt den Umbau der Wirtschaft «innerhalb der planetaren Grenzen». Was bedeutet das? Wer will das und wer nicht?

Was will die Initiative? Der Initiativtext verlangt den Wandel hin zu einer Wirtschaft, welche die Lebensgrundlagen nicht gefährdet – namentlich mit Blick auf die verbrauchte Energie, Rohstoffe sowie auf die ausgestossenen Schadstoffe. Innerhalb von zehn Jahren soll auch der Konsum in der Schweiz diese Vorgaben erfüllen. Beides bedeutet einen fundamentalen Wandel. Denn laut Bundesamt für Umwelt sind mehr als drei Erden nötig, wenn alle so konsumieren, wohnen, reisen und wirtschaften würden wie die Schweizer Bevölkerung (Bafu, 2020).

Was sind «planetare Grenzen»? Sie zeigen die physikalischen, chemischen und ökologischen Belastungsgrenzen des Planeten Erde auf. Das Konzept nennt neun Dimensionen – darunter den Klimawandel, die Luftverschmutzung, den Verlust der Artenvielfalt oder den Wasserverbrauch. Je stärker die Grenzen überschritten sind, desto eher drohten die Prozesse aus dem Gleichgewicht zu geraten – allenfalls irreversibel. Das Konzept ist von einer Forschergruppe um den Schweden Johan Rockström 2009 erstmals vorgestellt und 2024 international ausgezeichnet worden. Rockström ist Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Wie steht es um die «planetaren Grenzen»? Seit 2009 hat die Forschergruppe um Rockström das Konzept weiterentwickelt und mit regionalen Ausprägungen ergänzt. Nach der Aktualisierung von 2023 sind weltweit sechs der neun planetaren Grenzen überschritten: Klimawandel, Artensterben, zu viel Stickstoff und Phosphor, übernutztes Süsswasser, veränderte Landnutzung, zu viele neuartige Stoffe.

In der Schweiz ist wohl der «ökologische Fussabdruck» bekannter, um die Auswirkungen von Konsum, Mobilität etc. darzustellen; das Bundesamt für Statistik führt Buch darüber.

Wer steht hinter der Volksinitiative? Eingereicht wurde sie 2023 von den Jungen Grünen, mitgetragen von der Grünen Partei, der SP, von Verbänden aus Umwelt- und Tierschutz, Landwirtschaft und von Mitgliedern aus der Wissenschaft. Ihnen reichen die bisher getroffenen Klima- und Umweltschutzmassnahmen nicht. Ohne konkrete Massnahmen, welche Wirtschaft und Konsum nachhaltiger machen, wird die Schweiz die «planetaren Grenzen» bald in allen Dimensionen übertreffen.

Wie werden die «planetaren Grenzen» berechnet?

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Legende: Keystone/Peter Schneider

Als Basis für die planetaren Grenzen dient das sogenannte Erdsystem – jene Prozesse also zwischen den Landmassen, den Gewässern, der Atmosphäre und der Lebewesen im aktuellen Zeitalter, dem Holozän. Das Modell legt fest, in welchem Bereich die eingespielten Prozesse stabil verlaufen – das ist der sichere, grün dargestellte Bereich (siehe Grafik).

Auf den grünen folgt der gelbe Bereich – das ist die Übergangsphase zum roten Bereich, in welchem sich die Bedingungen so stark verändern, dass sie die Prozesse aus dem bisherigen Gleichgewicht bringen können; Meeresströmungen zum Beispiel – mit Auswirkungen auf Wetter und Klima.

So sollte sich der Grundwasserspiegel nicht stetig absenken, unberührte Landschaften sollten auf 50 bis 60 Prozent der Fläche bestehen.


Am Beispiel der Klimaerwärmung ist so das 2-Grad-Ziel definiert worden, das inzwischen auf 1.5-Grad reduziert worden ist. Das zeigt exemplarisch: Es handelt sich um Modell-Berechnungen, die mit Unsicherheiten behaftet sind. Gewissheit hat niemand. Eine andere Gruppe könnte zu anderen Grenzwerten kommen. Dennoch bilden die «planetaren Grenzen» eine mögliche Grundlage für die Klima- und Umweltpolitik.

Wer bekämpft die Initiative und warum? Der Bundesrat lehnt das Volksbegehren ab. Für ihn ist es ein zu grosser Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit. Ausserdem rechnet er mit einem Wettbewerbsnachteil für die Schweizer Wirtschaft und mit Wohlstandsverlust. In der zuständigen Kommission des Parlaments folgte die bürgerliche Mehrheit der Bundesratsposition und sprach von einem «Korsett für die Wirtschaft». Eine linke Minderheit möchte die Initiative annehmen oder zumindest ein Gegenprojekt formulieren – ohne die zehnjährige Übergangsfrist.

Echo der Zeit, 03.06.2024, 18 Uhr

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