Der Mandelgipfel beim Bäcker, die Pralinen in der Konditorei, das Biberli beim Grossverteiler: Die süsse Versuchung lockt in vielen Auslagen als vermeintlich traditionelle Handwerkskunst Kundinnen und Kunden an. Doch zumindest die Füllungen dieser Leckereien werden zum Teil industriell hergestellt, bei Patiswiss im solothurnischen Gunzgen.
Die Firma mit rund 40 Angestellten beliefert Grossverteiler und rund 1000 Bäckereien im Land mit sogenannten Halbfabrikaten, also mit Marzipan, Mandelmasse oder Pralinécrème. Der Betrieb ist spezialisiert auf die Verarbeitung von Mandeln und Nüssen. Diese werden geröstet oder gewalzt, mit Schokolade überzogen oder karamellisiert.
Kleinen Bäckereien fehlen die Maschinen
Die Produktion ist auf grosse Mengen ausgelegt. In einem riesigen Topf werden zum Beispiel Haferflocken karamellisiert, also mit geschmolzenem Zucker verklebt. Dieses Produkt dient als Basis für Getreideriegel. Bis zu 20 Tonnen Haferflocken verarbeitet Patiswiss pro Tag, abgefüllt wird die süsse Masse dann in Säcke zu 450 Kilogramm.
«Handmade» sieht natürlich anders aus. Konditorinnen und Bäcker seien aber auf Halbfabrikate angewiesen, betont Sandro Ott, Marketingchef von Patiswiss. Nicht jeder könne selbst Mandelmassen und Co. herstellen. «Oft fehlt der Maschinenpark, das sind grosse Investitionen», so Ott. Zudem gebe es unzählige Vorschriften im Hygienebereich, die man einhalten müsse. «Und schliesslich dürfte auch der Fachkräftemangel ein Thema sein für viele kleine Produzenten.»
Patiswiss versucht dem Wunsch nach Individualität so gut wie möglich zu entsprechen. Die Rezeptur der Halbfabrikate wird für einzelne Kundinnen und Kunden auch angepasst. Trotzdem: Die Füllung von Mandelgipfel oder Biberli kommt nicht aus der Backstube vor Ort, sondern aus einer Fabrik. Ist das nicht «Bschiss»?
Einige Kunden verstehen das Vorgehen vielleicht nicht.
Sandro Ott winkt ab. «Es gibt Betriebe, die das Vorgehen offen kommunizieren.» Und es gebe sicher auch Gründe, dies nicht zu tun. «Einige Kunden verstehen vielleicht nicht, dass Investitionen in einen solchen Maschinenpark für gewisse Betriebe unmöglich sind.» Für Patiswiss selbst spiele es keine Rolle, dass man «nur» im Hintergrund tätig sei.
Von Zuckerbomben zum Lifestyle-Käse
Auch Grossverteiler setzen übrigens auf Produkte aus Gunzgen. So werden zum Beispiel mit Schokolade überzogene Mandeln kistenweise an einen bekannten Detailhändler verschickt, der diese dann unter seinen eigenen Labels verkauft. Neu tritt Patiswiss nun aber auch mit einer eigenen Marke auf, allerdings mit einem eher ungewöhnlichen Produkt: Die Solothurner Lebensmittel-Technologen haben einen veganen Käse-Ersatz erfunden, wie ein «pflanzlicher Parmesan».
Dieser Käse-Ersatz basiere auf Mandeln und Nüssen, erklärt Sandro Ott: «Da sind 92 Prozent Nussanteil drin, insofern passt das hervorragend in unser Sortiment.» PatiSwiss müsse in neue Märkte vorstossen. Denn die Nachfrage nach traditionellen Halbfabrikaten wie Marzipan gehe zurück, so Ott. «Im Ausland wird ebenfalls guter Marzipan produziert, aber kostengünstiger.»
Patiswiss entwickelt sich also langsam vom «Zubehör-Lieferanten» des Bäcker- und Konditorengewerbes hin zu einem breit aufgestellten Nahrungsmittelkonzern, auch mit direktem Kundenkontakt. Der Fokus liege aber weiterhin auf den Halbfabrikaten für Industrie und Gewerbe. Dafür will Patiswiss bekannt – oder in den meisten Fällen eben unbekannt – bleiben.