Henggart (ZH), Zollikofen (BE) und nun bei Spiez (BE): Obwohl der Juni noch jung ist, haben sich bereits drei Vorfälle auf Baustellen im Schweizer Schienennetz ereignet. Sind die Unfälle reiner Zufall oder hat die Schweiz ein Problem mit der Baustellensicherheit auf dem Schienennetz?
Die jüngsten Zwischenfälle geschahen auf dem Streckennetz der Bahnunternehmen SBB und BLS. Beide wollen sich nicht zu den laufenden Untersuchungen äussern, halten aber schriftlich fest: Sicherheit habe die höchste Priorität.
Und beide verweisen auf das Bundesamt für Verkehr (BAV). Die SBB schreibt etwa: «Der heutige Zwischenfall auf dem BLS-Netz zeigt genau auf, dass es für die Sicherheit auf dem schweizerischen Schienennetz eine übergeordnete und unabhängige Stelle braucht. Diese Aufsichtsfunktion nimmt in der Schweiz das Bundesamt für Verkehr (BAV) wahr.»
Schweiz schneidet schlecht ab
Das zuständige Bundesamt für Verkehr (BAV) verfolgt aufmerksam, wie sich die Sicherheitssituation bei der Bahn verändert. Im jüngsten Sicherheitsbericht 2020 kommen die Schweizer Bahnunternehmen schlecht weg. Im Vergleich mit anderen Ländern in Europa schneidet die Schweiz zwar bei der Sicherheit im Schienenverkehr insgesamt sehr gut ab, eine Ausnahme bilden jedoch die Arbeitsunfälle, insbesondere bei Baustellen. Ins Auge sticht, dass bei den Unfallorten die Gleisbaustellen an erster Stelle rangieren.
Im europäischen Vergleich liegen wir hierzulande bei den Arbeitsunfällen sogar auf dem vorletzten Platz. Die Schweiz hat sich dabei in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert und ist sogar auf den 17. Platz von 18 abgerutscht – nur die Slowakei schneidet noch schlechter ab.
Allerdings muss berücksichtigt werden, dass in den meisten europäischen Ländern einfach Strecken gesperrt werden, sobald gebaut wird. Das ist in der Schweiz wegen des dicht befahrenen Schienennetzes nicht möglich. Deshalb läuft in der Schweiz der Betrieb während Bau- und Sanierungsarbeiten weiter – was mehr Risiken birgt.
Die Sicherheit auf den Baustellen im Schienennetz ist sicher ungenügend.
«Wir bauen, während die Züge weiterfahren. Das bedeutet, dass die Bauarbeiter immer wieder die Gleise verlassen müssen, was enorme Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert», erklärt BAV-Mediensprecher Michael Müller. Die Arbeitsbedingungen seien schwierig und hinzukomme oft auch Nachtarbeit. Deshalb intensiviere das Bundesamt für Verkehr seit 2018 die Überwachung der Baustellen. Es hat die Baustellensicherheit zu einem Schwerpunkt erklärt.
Ob die drei Unfälle eine ähnliche Ursache hatten und deshalb im Zusammenhang stehen, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt laut BAV-Mediensprecher Michael Müller nicht beurteilen. Nach Ansicht von Müller steht aber fest: Bei Baustellen in Gleisnähe besteht Handlungsbedarf. «Die Sicherheit auf den Baustellen im Schienennetz ist sicher ungenügend. Die Bahnunternehmen wissen, dass sie in der Verantwortung stehen und dass sie grössere Anstrengungen unternehmen müssen», sagt Müller.