Mit 5.5 Millionen gedruckten Exemplaren ist das Bundesbüchlein die auflagenstärkste Publikation in der Schweiz. Der Bund hat den verfassungsmässigen Auftrag, die Stimmbürger angemessen zu informieren. Seit 1977 werden die Abstimmungsinformationen vor jedem Urnengang gratis in die Haushalte verschickt.
Fakten im Abstimmungsbüchlein müssen verifizierbar und belegt sein. In den letzten Jahren geriet das rote Heft aber immer wieder in die Kritik. Es war mehrfach Gegenstand von Interpellationen und Beanstandungen der Geschäftsprüfungskommission. Während manche seine Neutralität infrage stellen, argumentieren andere, dass der Inhalt viel zu komplex für viele Stimmbürger sei.
Immer wieder Korrekturen
Und dann kam es immer wieder zu Fehlern. Die Bundeskanzlei musste etwa vergangenes Jahr bei der Abstimmung über Sozialdetektive mehrfach online den Text nachbessern. Immer wieder stolperte das Informationsorgan über ungenaue Prognosen. Bei der Abstimmung zur Unternehmenssteuerrefom II kassierte der Bundesrat vom Bundesgericht sogar eine Rüge. Die Aufzählung ist nicht abschliessend. Doch haben diese Ereignisse Einfluss auf die Glaubwürdigkeit des Bundesbüchleins?
Das Abstimmungsbüchlein bleibt, zusammen mit der gedruckten Presse, für viele die wichtigste Grundlage der politischen Meinungsbildung.
Dieses Zitat prangt gross auf der Webseite der Bundeskanzlei unter dem Stichwort Abstimmungsbüchlein. Letztes Jahr wurde das Abstimmungsbüchlein neu aufgelegt, um der wiederholten Kritik entgegenzuwirken.
Bisher scheint sich an der Bedeutung der amtlichen Publikation nicht viel geändert zu haben. Eine Einschätzung, die auch Politikwissenschaftler Thomas Milic teilt. Die jüngsten Nachwahlbefragungen zeigten, dass das Bundesbüchlein rege genutzt werde. «Rund neun von zehn Stimmberechtigten nutzen das Abstimmungsbüchlein zur Meinungsbildung», sagt Milic.
Für viele ist das Bulletin eine Entscheidungshilfe, wie der Politologe weiter ausführt. Gerade die Empfehlungen des Bundesrates – neuerdings fettgedruckt auf der Rückseite – würden bei wenig kontroversen, technischen Abstimmungsfragen rege genutzt. «Bei Ausländer- oder Europa-Vorlagen interessiert sich dagegen kaum jemand für die Position des Bundesrates. Bei kontroversen Abstimmungen stützt man sich mehr auf die eigenen ideologischen Präferenzen.»
Nach Angaben von Milic tendiert die Regierung allein schon wegen der parteipolitischen Zusammensetzung eher zu einer Mitteposition. Die Stimmberechtigten vertrauten dem Bundesrat besonders bei technischen Fragen.
Ungewisser Ausgang für Abstimmungsbüchlein
«Prognosen im Abstimmungsbüchlein sind aber generell schwierig», unterstreicht Milic. So habe die Rüge des Bundesgerichts einen gewissen Effekt auf die Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform III gehabt.
Nun hat sogar das Bundesgericht die Abstimmung über die Heiratsstrafe annulliert, weil im Abstimmungsbüchlein die Zahl der Betroffenen deutlich zu gering eingeschätzt wurde. Wie sich das auf die Nutzung des Bundesbüchleins auswirken wird, bleibt abzuwarten.