Darum gehts: Der Bund will im Herbst Gesetzespläne präsentieren, um an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel einzuschränken. Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bestätigt gegenüber SRF, dass man «im Rahmen der geplanten Revision des Lebensmittelgesetzes eine Regulierung der Kinderwerbung für zu süsse, zu fettige, zu salzige und zu energiereiche Produkte» prüfe. Der Schritt erfolgt nach «jahrelangen erfolglosen Verhandlungen mit der Lebensmittelindustrie, um die Werbung freiwillig zu reduzieren». Rund 15 Prozent der Kinder in der Schweiz seien übergewichtig oder fettleibig, schreibt das BLV. Diese Kinder hätten ein erhöhtes Risiko als Erwachsene an Krankheiten wie Diabetes oder Herzkreislauferkrankungen zu leiden.
Das ist der Stand der Dinge: Schon heute sehen Kinder in der Schweiz nicht uneingeschränkt Werbung für ungesunde Lebensmittel. Die Lebensmittelbranche kennt den sogenannten «Swiss Pledge», eine freiwillige Erklärung, keine Werbung an Kinder zu richten. Die Selbstverpflichtung besteht seit 2010 und sieht vor, dass die beteiligten Unternehmen bestimmte Lebensmittel nicht bewerben, wenn das Zielpublikum eines Mediums zu mindestens 30 Prozent aus Kindern unter 13 Jahren besteht. Die Einhaltung der Selbstverpflichtung wird durch ein unabhängiges Monitoring überprüft.
Das ist die politische Situation: Die Pläne des Bundes müssen nach der Vernehmlassung auch vom Parlament abgesegnet werden. Ein Blick über die Landesgrenze zeigt: Das dürfte nicht einfach werden. In Deutschland hatte der zuständige grüne Minister Cem Özdemir letztes Jahr ähnliche Pläne vorgelegt, war dann aber vom Koalitionspartner FDP zurückgepfiffen worden. Ähnliche Konflikte dürften auch hierzulande zu erwarten sein. Gegenüber der «NZZ» äussern sich Branchenvertreter bereits besorgt über die Pläne des Bundes. Es droht ein ähnliches Szenario wie beim Nutri-Score-Label, bei dem das Parlament im Frühjahr den Bund dazu aufgefordert hat, seine Pläne nochmals zu überarbeiten.
Darum sieht der Bund Handlungsbedarf: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlicht seit letztem Jahr Empfehlungen zum Thema. Sie ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, gegen die Vermarktung von Fast Food und Co. vorzugehen – am besten mit verbindlichen Standards. Bislang sind allerdings nur wenige Staaten diesem Aufruf gefolgt (darunter Chile, Mexiko, Taiwan und Südkorea). Der Bund schreibt in seiner Antwort an SRF, dass man sich auf die Empfehlungen der WHO stütze. Ein Sprecher verweist zudem auf ein aktuelles Monitoring des BLV, das unter anderem gezeigt habe, dass Kinder zwischen vier und neun Jahren digitaler Werbung für Nahrungsmittel und Getränke besonders stark ausgesetzt seien.
Das sagt der Kinderpsychologe: Laut «NZZ» sollen die geplanten Regeln für Werbung in sämtlichen Medien gelten. Der Kinderpsychologe Hans-Peter Schmidlin ist skeptisch, ob ein solcher Schritt etwas bringt. Er sieht vielmehr die Eltern in der Pflicht. «Es kommt darauf an, was die Kinder generell im Alltag für Gewohnheiten haben: Wenn sie immer Süssgetränke auf dem Tisch haben, werden sie wahrscheinlich auf ein neues Produkt eher ansprechen, als wenn sie es gewohnt sind, ungesüsste Getränke oder Wasser zu trinken.» Schmidlin befürwortet jedoch Einschränkungen bei der Fernsehwerbung zu Tageszeiten, in denen vor allem Kinder zuschauen.